Der doppelte Richter
Thilo Kurz spricht sowohl in der Hohenloher Kreisstadt wie auch in Marbach Recht

Das Porträt
Von unserem Redakteur Henry Doll
Es bleibt viel Zeit auf der Strecke, räumt er ein. Denn Thilo Kurz hat zwei Arbeitsplätze: Einmal das Amtsgericht Künzelsau, zum anderen das Amtsgericht Marbach. Alle beide sind halbe Stellen. In Künzelsau ist Thilo Kurz (47) Richter für Strafsachen, am Amtsgericht Marbach für Zivilverfahren. Und dazwischen bleibt viel Zeit im Auto und auf der Strecke.
Immer Mittwoch und Donnerstag sowie jeden zweiten Freitag ist Thilo Kurz in Künzelsau eingesetzt, die anderen Tage in Marbach. Sein Wohnort im Landkreis Heilbronn liegt dazwischen. Richter Thilo Kurz ist verheiratet und hat drei Kinder.
Abwechslung "Ich habe nicht damit zu kämpfen, dass ich nicht in erster Linie Großverfahren mache", sagt er über seine Arbeit. Denn in Künzelsau ereigne sich durchaus mehr als der sprichwörtliche Hasendiebstahl. Immer wieder stehen Verhandlungen an wegen fahrlässiger Tötung, gefährlicher Körperverletzung und wegen Einbruchdiebstahl. Auch wegen Betäubungsmittelkriminalität, also wegen Drogenhandels, wird angeklagt. "Die Würzburger Straße war lange Zeit ein Thema", sagt Kurz. Inzwischen sei es aber dort ruhiger geworden.
Ansonsten stehen auf der Tagesordnung "Beförderungserschleichung", also Verfahren gegen Schwarzfahrer, Fälle wegen Trunkenheit im Straßenverkehr oder auch Sozialbetrug.
Und natürlich gibt es auch Fälle, die geeignet sind, selbst einen erfahrenen Richter einigermaßen sprachlos zu machen. Da war dieser "unappetitliche Fall", wie Thilo Kurz ihn nennt: Ein Mitarbeiter tischte in einer Firma im Kochertal an Hitlers Geburtstag eine mit Hakenkreuz versehene Nazi-Torte auf. Der Haupttäter hatte zwei Mitläufer. Das Trio entbot unter der Reichskriegflagge den Hitlergruß.
Es erging Anzeige wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Thilo Kurz erinnert sich noch, dass die Angeklagten vor Gericht allen Ernstes behaupteten, der Hitlergruß sei gar kein Hitlergruß gewesen, sondern eine Art "Ave Caesar". Der Haupttäter wurde zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen in Höhe von 30 Euro verurteilt, das Verfahren gegen die beiden Mitläufer wurde gegen Geldbußen eingestellt.
Umzug In Marbach, wo Thilo Kurz Zivilsachen verhandelt, geht es manchmal zu wie in Stefan Raabs Lied vom Maschendrahtzaun. Da komme es schon mal vor, dass sich "bestens saturierte Nachbarn" wegen eines Rosenzweigs, der über den Zaun hängt, vor Gericht streiten. "Da möchtest du am liebsten hingehen und den Zweig abschneiden", sagt Kurz und schmunzelt. Solche Fälle nennt er eine Belastung. "Schikane des anderen − dafür möchte man sich nicht hergeben."
Seit 2014 ist Thilo Kurz gewissermaßen in doppelter Richterfunktion in Künzelsau und Marbach tätig. Seine eigentliche Richterplanstelle ist in Heilbronn, und der Spagat zwischen Künzelsau und Marbach sei "circa auf fünf Jahre" terminiert, sagt Kurz.
Aktuell sind im Amtsgericht Künzelsau in der Konsul-Uebele-Straße die Handwerker. Das Gericht zieht um. Der Bau, so Richter Kurz, entspreche nicht mehr den Anforderungen an Barrierefreiheit und Sicherheit. Gegen Jahresende zieht das Amtsgericht ins Polizeigebäude beim Kreisel am Bahnhof.
Thilo Kurz’ beruflicher Werdegang verlief durchaus abwechslungsreich (siehe nebenstehenden Kasten). So hat er vor seiner Richtertätigkeit als Sozialarbeiter gearbeitet. Er ist nicht nur Jurist, sondern auch Diplom-Sozialpädagoge. Er war Streetworker in Berlin und später als Jurist abgeordnet an die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Nach vier Jahren dort beschloss er, ins Richteramt zurückzukehren. Er erfuhr von einer freien halben Stelle am Amtsgericht Künzelsau und bewarb sich. Und auch die 50 Prozent Marbach-Anteil passten. "Das hat sich angeboten."