Ein Stück Berlin in Bretzfeld: Satireformat "Frisch gepresst" macht in Siebeneich Halt
Das Satireformat "Frisch gepresst" ist im Rahmen des Zungenspitzerfestivals in Siebeneich zu Gast. Der Kabarettnachwuchs präsentiert sich, aber nicht alle Stipendiaten treten an.

Lotus, Lavendel und Lasagne - das ist die wohl einzigartige Zungenspitzermischung, die Saunameister Hermann alias Chris Blessing als Aufguss für das Publikum gewählt hat. Schon jetzt ist klar, es wird ein Abend voller Absurditäten in der Siebeneicher Kelter. "Frisch gepresst" heißt der satirische Monatsrückblick, den Tilman Lucke normalerweise in Berlin moderiert. Für das von ihm organisierte Zungenspitzer Kabarett- und Comedyfestival hat der gebürtige Waldbacher das Format nach Hohenlohe gebracht. Gäste sind die Stipendiaten des festivalbegleitenden Nachwuchsseminars.
Künstlerische Differenzen
Eigentlich müssten es also wie berichtet neun Gäste sein, die neben Lucke den Abend gestalten. Aufgrund von künstlerischen Differenzen entschieden sich allerdings vier gegen eine Teilnahme und reisten vorzeitig ab. Doch die Verbliebenen unterhielten das Publikum aufs Beste. "Mit Parodien und Protest, mit Nonsens und Niveau", so erläutert Lucke in seiner gesungenen Begrüßung den Inhalt von "Frisch gepresst". Und legt gleich selbst mit einem Streifzug durch den ÖPNV in Berlin bei Nacht los. Intoniert zu Bachs Brandenburgischem Konzert bringt er bewundernswert viele Beobachtungen trotz melodiebedingt unnatürlichem Sprechrhythmus unter. Bei all den Erlebnissen überlegt sich der geneigte Zuschauer allerdings, dass Berlin - zumindest per Bahn - vielleicht doch keine Reise wert ist.
Mit dem Rad in der Bahn

Apropos Bahn: Christian Keßler wäre gerne mit Gäubahn und Rad an den Bodensee gefahren. Ein hochkomplexes Thema, wie sich herausstellt. "Ja aber", ist die wichtigste Regel, denn mal ist es in Bus x und Bahnverbindung y in Ordnung, seinen Drahtesel kostenlos mitzunehmen, zwei Minuten später muss vielleicht ein Ticket gelöst werden, oder es könnte auch ganz verboten sein. Kommt auf den Wochentag an. Und die Uhrzeit. Und scheinbar auch auf die Mondphase, Ebbe und Flut, wodurch die Darstellung auch etwas langwierig wird.
Vivien Dollmann singt am Klavier über die Abenteuer mit ihrem latent bockigen VW Käfer. Im Refrain summt und brummt sie wie ihr Gefährt. "Haben Sie auch ein Käfer-Original zu Haus, rate ich Ihnen, machen Sie das Beste draus." Andrea Pröll hat in ihrer Figur der Gerda Wagner die Inflation und die damit verbundene Preisentwicklung im Blick. Sparen ist wichtig, da muss man dann halt auch mal nach München zum Aldi fahren, weil der Schokolade im Angebot hat. "Ich hab nur noch zwei erwischt, die hab ich dann vor lauter Frust gleich auf dem Heimweg gefressen." Das soll ihr beim Klopapier nicht passieren. Ihr Tipp: Lidl in Hamburg. "Vielleicht sieht man sich da ja."
Fleischkonsum mal umgedreht
Chris Blessing nimmt den Fleischkonsum als Thema - und kehrt ihn um. "Wenn Tiere Menschen so schnell umbringen würden wie umgekehrt, wären wir in 40 Tagen ausgerottet." Er führt es auf die Spitze, spricht von Schweinen, die Fingerfood und Seniorenteller zu sich nehmen, ein paar ernährungsbewusste Tiere essen nur Bio-Kinder. "Bekanntlich nahm die Evolution einen anderen Lauf - Schwein gehabt!"
Sandra Niggemann stürzt sich letztlich mit einer hoch amüsanten Textanalyse auf die Diskussion um den jüngst verbotenen Festzelt-Hit "Layla". "Es geht um einen Mann eines bestimmten Zweigs der Unterhaltungsindustrie, der schafft also Arbeitsplätze, das ist gut", kommentiert sie mit Blick auf den Bordellbesitzer, dessen Puffmutter eben jene Layla ist. Die sei "schöner, jünger, geiler", aber mangels Vergleich könne das konsequenterweise nur als Body Positivity interpretiert werden.
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