Geigerin bringt Familie, Üben und Konzerte in Bangkok unter einen Hut
Birgit Erz aus Biberach spricht darüber, wie sie ihr Leben mit Ehe, Kindern, Trio und Konzertreisen meistert. Auch bei einem vollen Terminkalender versucht sie, sich möglichst viel zu bewegen, und lernt nebenbei Fremdsprachen.

Kindererziehung in Hamburg. Zum Proben mit den Trio-Kolleginnen nach Berlin. Eltern besuchen in Heilbronn. Konzerte in Wien, Bangkok und Hanoi. Das Leben von Birgit Erz aufwendig zu nennen, wäre eine Untertreibung. Doch wenn sie spricht, scheint sich der Widerspruch von Disziplin und Leichtigkeit Satz für Satz in Luft aufzulösen.
Die Geigerin, die ihre Kindheit und Jugend im Heilbronner Stadtteil Biberach verbracht hat, fing musikalisch, wie viele andere Kinder auch, mit Glockenspiel und Blockflöte an. Doch dabei blieb es nicht − mittlerweile gibt sie mit dem Boulanger-Trio Konzerte auf der ganzen Welt, die neunte CD erscheint im Mai − Musik von Beethoven über Schostakowitsch bis zu zeitgenössischer Musik war schon dabei.
Wer hat Sie zu so viel Üben motiviert, Frau Erz?
Birgit Erz: Am Anfang war es ja noch nicht so viel, ich habe keinen Druck verspürt. Was in dem Hausaufgabenheft stand, was ich üben soll, habe ich geübt. Damals hatte ich einen Wellensittich, der saß beim Üben auf dem Geigenbogen und ist mitgefahren. Geigespielen war ja nicht das Einzige, was ich gemacht habe.
Was noch?
Erz: Damals habe ich noch Leichtathletik gemacht und getanzt.
Kann es sein, dass Ihnen leicht langweilig wird?
Erz: Ja, das gehört zu mir. Ich muss immer etwas zu tun haben. Ich versuche auch bei vollem Kalender, möglichst viel Bewegung zu machen. Joggen im Wald. Schwimmen. Yoga. Und wenn ich heute mit dem Zug von Hamburg nach Berlin und wieder zurück fahre, um mit dem Trio zu proben, versuche ich, eine Fremdsprache zu lernen. Im Moment ist es Türkisch.
Wie passte dieses Programm früher mit der Schule zusammen? Die gab es ja auch noch.
Erz: Irgendwann gar nicht mehr. Mit 16 bin ich vom Mönchseegymnasium in Heilbronn direkt zum Studieren nach Mannheim, sechs bis acht Stunden üben am Tag sind mit Schule nicht zu vereinbaren. Manchmal bin ich um 5 Uhr aufgestanden, um vor der Schule üben zu können.
Und das Abitur?
Erz: Das habe ich dann parallel zum Studium nachgeholt. Dabei haben mich meine Eltern sehr unterstützt, sie sind beide Lehrer. Das Abitur war mir wichtig, so eine Musikerkarriere kann auch schnell vorbei sein. Ein Tinnitus oder Probleme mit der Hand reichen.
Da ist sie wieder. Die Disziplin. Was haben Sie als am schwersten empfunden?
Erz: Man fängt völlig bei Null an. Niemand kennt einen, man will aber Konzerte spielen und davon leben. Am Anfang haben wir Unterstützer bei Stiftungen in Hamburg gesucht, um über die Runden zu kommen. Die ersten zwei, drei Jahre waren eine schwere Zeit. Dann waren wir bei Wettbewerben erfolgreich und wurden immer bekannter. Durststrecken gab es aber immer wieder.
Wie viel Disziplin und Verständnis hat Ihr Umfeld dafür gebraucht?
Erz: Vieles war und ist nur möglich durch die Unterstützung der Menschen um mich herum. Zum Beispiel ist mein Mann selbstständig und arbeitet viel von zu Hause aus. Das erleichtert manches. Auch meine Eltern helfen mir viel. Früher hatte ich das jüngere Kind oft bei Konzertreisen dabei, da hat dann einer von ihnen aufgepasst, während ich geprobt und gespielt habe. Ein Konzert abzusagen, geht eben nicht, die Verträge sind lange im Voraus geschlossen. Da muss es eben auch mal ohne mich gehen.
Wie läuft das im Alltag zu Hause?
Erz: Es ist wichtig, dass es eine klare Routine gibt, dass ich mich auf das fokussiere, was zu tun ist. Aufstehen, Kinder in die Schule und den Kindergarten bringen, dann üben oder proben. Auch wenn es 1000 andere Dinge zu erledigen gibt. "Die Nacht war blöd, ich lege mich wieder hin" geht auch nicht. Meinen Trio-Kolleginnen geht es da ähnlich, sie haben auch je zwei Kinder und auch schon Erfolge, aber auch so manchen Misserfolg hinter sich.
Wie wichtig ist das Team, mit dem Sie auf der Bühne stehen?
Erz: Es ist ein großes Glück, dass wir uns so gut verstehen, gerade weil die Zeiten manchmal schwer sind. Wir sind in den zwölf Jahren, die wir uns kennen, schon durch Dick und Dünn gegangen. Das ist nicht bei allen so. In manchen Ensembles wohnen die Mitglieder auf Reisen auf verschiedenen Stockwerken. Wir mögen, zusammen zu wohnen und morgens gemeinsam zu frühstücken.
Sind solche Dreierkonstellationen nicht manchmal schwierig?
Erz: Das habe ich auch oft gehört, und vielleicht stimmt es ja. Aber bei uns funktioniert es sehr gut. Auch, weil wir Regeln haben. Ein offener und respektvoller Umgang ist uns allen wichtig, wir treffen zum Beispiel nur gemeinsame Entscheidungen. Wenn eine nein sagt, bedeutet das auch nein. Beim Üben und Spielen sind wir extrem kleinlich und pingelig, weil jede von uns eine starke eigene Vorstellung davon hat, wie die Musik klingen soll. Ich kann locker eine Stunde an ein paar Takten in einem Stück arbeiten. Da erwartet jede von der anderen dieselbe Disziplin wie von sich selbst. Denn wenn eine von uns nicht vorbereitet ist, funktioniert das ganze Trio nicht. Wir liegen da auf einer Wellenlänge.
Und wie sieht diese Wellenlänge aus?
Erz: Wir haben uns auch schon abends von 23 bis 1 Uhr nachts bei mir zu Hause zum Üben getroffen, als ich noch in Berlin gewohnt habe. Damit ich schnell zum kleinen Kind flitzen konnte, wenn etwas ist. Der Konzerttermin steht fest, das weiß jede von uns. Es gab auch schon Auftritte hochschwanger, und ein paar Tage nach der Geburt wurde wieder geprobt.
Aber es gibt auch eine andere Seite, oder?
Erz: Sobald der Geigenkasten zu ist, sieht das ganz anders aus. Dann geht es locker zu und wir können über das Kostüm beim Kinderfasching lachen oder reden über das neue Sofa. Als Trio zusammen in den Urlaub fahren wir aber noch nicht.
Was machen Sie denn im Urlaub? Mit der vielen Disziplin?
Erz: Wir waren einmal zwei Monate lang in Kalifornien. Es ist mir schwer gefallen, auszuspannen und ich habe mir dann eine Geige von einem Freund geliehen. Das wäre wirklich zu lange zum Nicht-Üben gewesen... Im Herbst steht eine zwölftägige Konzertreise durch Thailand und Vietnam an, vielleicht nehme ich ja mindestens meinen älteren Sohn mit. Nächstes Jahr habe ich in den Osterferien ein Konzert in Madrid. Da können wir dann als Familie eine Woche Urlaub dranhängen.
Hilft Disziplin gegen Lampenfieber?
Erz: Aufgeregt bin ich nicht mehr. Wenn ich gut vorbereitet bin, gibt es dafür keinen Grund. Außerdem verstehen wir uns im Trio so gut, dass eine die andere auffangen kann. Aber bald treten wir in der Elbphilharmonie in Hamburg auf. Ich bin jetzt schon aufgeregt.
Zur Person
Birgit Erz wird am 15. Januar 1979 in Heilbronn geboren. Sie wächst im Stadtteil Biberach auf und besucht erst das Hohenstaufen-Gymnasium in Bad Wimpfen und dann das Mönchseegymnasium in Heilbronn. Ab 1995, mit 16 Jahren, studiert sie − unter anderem in Mannheim, Würzburg, Berlin und Hamburg. Mit der Pianistin Karla Haltenwanger und der Cellistin Ilona Kindt bildet sie seit 2006 das Boulanger-Trio. Birgit Erz lebt mit Ehemann und zwei Söhnen in Aumühle bei Hamburg.