Zur Person: Fabian Gramling (38) ist seit 2021 direkt gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Neckar-Zaber. Der gelernte Bankkaufmann ist aktuell Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Regionaler CDU-Abgeordneter Fabian Gramling: „Brauchen einen neuen Pragmatismus in Deutschland“
In der Energiepolitik macht die schwarz-rote Bundesregierung einiges anders als die Ampel-Koalition. Fabian Gramling, CDU-Abgeordneter im Wahlkreis Neckar-Zaber, erklärt, warum er das für dringend nötig hält.

Ab 2026 wird die Gasspeicherumlage nicht mehr von den Gaskunden bezahlt, sondern von allen Steuerzahlern. Finden Sie das gerecht?
Fabian Gramling: Wir haben angekündigt, dass wir die Energiekosten senken wollen. Von unseren Ankündigungen haben wir bereits drei Viertel umgesetzt: Die Gasspeicherumlage wird gestrichen, die Netzentgelte werden gesenkt – im nächsten Schritt möchte ich, dass für alle die Stromsteuer reduziert wird. Gerade viele kleinere Unternehmen stehen im Wettbewerb und werden jetzt entlastet. Das darf man nicht vergessen.
Das Geld für die weggefallene Umlage kommt aus dem Klima- und Transformationsfonds, der per Gesetz der „Erreichung der Klimaschutzziele“ in Deutschland dienen soll. Wie passt das Subventionieren des Gaspreises dazu?
Gramling: Ich halte diesen Ansatz für richtig. Wir müssen uns anschauen, wie wir Klimaschutz tatsächlich erreichen. Aktuell sind wir in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage. Ich bin fest überzeugt, dass wir nur dann erfolgreichen Klimaschutz leisten können, wenn wir wirtschaftlich stark sind. Deshalb müssen wir wettbewerbsfähiger werden und unsere nachhaltig produzierten Produkte auch erfolgreich exportieren. Wir müssen Industriestandort bleiben und Arbeitsplätze bei uns halten.
Sie planen als Koalition, bis 2030 insgesamt 20 Gigawatt an Gaskraftwerken zu bauen, Kritiker halten die Hälfte für ausreichend. Wieso diese Überkapazität?
Gramling: Bei den Backup-Gaskraftwerken ist entscheidend, dass ein Drittel dieser Anlagen im Süden stehen muss, um das Netz zu stabilisieren. Deutschland braucht eine verlässliche Energieversorgung. Der letzte Wirtschaftsminister ging von der utopischen Vorstellung aus, dass nur produziert wird, wenn die Sonne scheint und der Wind weht – für mich geht das an der Realität vorbei. Wichtig ist, dass wir den Ausbau jetzt beginnen. Wo wir am Ende landen, wird sich zeigen.
Es könnten also auch weniger als 20 Gigawatt sein?
Gramling: Zunächst müssen geeignete, netzdienliche Standorte gefunden und anschließend auch gebaut werden. In der Theorie klingt das oft einfach, in der Praxis ist es das nicht. Entscheidend ist, dass wir jetzt schnell vorankommen.
Aber wenn die Strategie aufgeht, haben wir ab 2030 eine Überkapazität an Gaskraftwerken am Netz und die Kohlekraftwerke sollen trotzdem bis 2038 weiterlaufen. Warum?
Gramling: Das ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz. Wenn die Kosten für die Gaskraftwerke im Rahmen bleiben, werden die Kohlekraftwerke überflüssig. Wir sollten uns nicht ständig nur mit Ausstiegsszenarien beschäftigen, sondern auch darüber sprechen, in was wir einsteigen. Deshalb halte ich es für richtig, am Ausstiegspfad 2038 festzuhalten. Sollte ein früherer Kohleausstieg möglich sein, werden wir die Letzten sein, die an der Kohle festhalten – das wird letztlich der Markt entscheiden.
Die Ampel-Koalition hatte geplant, dass die neu gebauten Gaskraftwerke bis 2040 mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden. Auffallend ist, dass Ihre Energie-Ministerin Katherina Reiche dieses Ziel nicht mehr hat. Wieso?
Gramling: Die eigentliche Frage ist doch: Warum ging es in den letzten Jahren nicht voran? Weil man der Branche Fesseln angelegt hat und niemand mehr investieren wollte. Selbst Norwegen hat den Bau einer Pipeline abgesagt, weil ihnen das Hin und Her der Ampel-Regierung zu unsicher war. Wir brauchen Verlässlichkeit. Wenn uns das gelingt, wird auch Wasserstoff nach Deutschland kommen. Wichtig ist, dass wir uns beispielsweise mit Frankreich auf eine europäische Wasserstoffstrategie einigen, statt uns im Klein-Klein zu verlieren.
Ist es nicht trotzdem sinnvoll, den Betrieb mit klimafreundlichem Wasserstoff als Ziel vorzugeben?
Gramling: Das ist ja auch unser Ziel. Aber in der letzten Regierung wurde vorgeschrieben, dass die Gaskraftwerke nach sieben Jahren und einem Tag mit Wasserstoff laufen müssen – ohne dass klar war, ob überhaupt genügend Wasserstoff zur Verfügung steht. In eine solche Unsicherheit investiert niemand. Es fehlten schlicht Planbarkeit und Verlässlichkeit.
Kommen wir zum Thema Stromsteuer, diese sollte für alle sinken, nun kommt die Senkung nur für Industrie und Landwirtschaft. Wieso konnten Sie sich als Koalition nicht einigen?
Gramling: Wir konnten uns nicht einigen, weil diese Steuersenkung zunächst finanziert werden muss. Mein Wunsch war, dass wir von Anfang an alle entlasten – auch Privathaushalte, Handwerker und Mittelständler. Mit dem Koalitionspartner war das leider nicht möglich.
Es ist an der SPD gescheitert, Privathaushalte beim Strompreis zu entlasten?
Gramling: Am Ende ist Politik immer ein Kompromiss. Klar ist aber: Es ist unser Wahlversprechen, die Steuer für alle zu senken – und daran arbeiten wir. Allerdings steht der gesamte Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt.
Sie haben außerdem beschlossen, die Netzentgelte ab nächstem Jahr zu senken. Allerdings müssen Stromanbieter die Ersparnis an ihre Kunden weitergeben. Wie wird das sichergestellt?
Gramling: Die genaue Ausgestaltung wird derzeit erarbeitet. Ich gehe aber davon aus, dass den Anbietern bewusst ist, dass die Entlastung an die Kunden weitergegeben werden muss.
Haben Sie keine Möglichkeit, das vorzuschreiben?
Gramling: Die Frage, was sich gesetzlich regeln lässt, ist immer schwierig. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, die Netzentgelte zu senken – mit der klaren Erwartung, dass diese Entlastung auch bei den Stromkunden ankommt.
Kürzlich hat die EU-Kommission mit den USA vereinbart, Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar einzukaufen, vor allem Kohle, Öl und Gas. Ein guter Deal?
Gramling: Momentan rächen sich zwei Dinge: Erstens, dass wir damals kein Handelsabkommen wie TTIP mit den USA abgeschlossen haben. Zweitens, dass uns die militärische Stärke fehlt, die wir bräuchten. Dadurch befinden wir uns gegenüber dem amerikanischen Präsidenten in einer defensiven Verhandlungsposition – eine Situation, die wir uns nicht gewünscht haben.
Experten halten die Größenordnung für völlig unrealistisch, die Energie-Importe aus den USA müssten sich verdreifachen. War das Ganze nur eine Beruhigungspille für den US-Präsidenten, damit er den Handelskrieg nicht weiter eskaliert?
Gramling: Das war eine reine Beruhigungspille. Die Frage ist berechtigt, ob Amerika diesen Deal überhaupt erfüllen kann. Wichtig ist, dass wir künftig wieder zu einem gemeinsamen Nenner finden. Ich plädiere hier für Besonnenheit.
Wirtschaftsministerin Reiche hat überraschend die Förderung für PV-Anlagen infrage gestellt, darunter die Einspeisevergütung. Dabei speisen viele inzwischen nur ihren Überschuss ein, finanziell lohnt sich das kaum. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?
Gramling: Es ist ein Erfolg der Energiewende, dass moderne PV-Anlagen heute wirtschaftlich betrieben werden können. Daher muss man prüfen, ob eine Förderung noch notwendig ist. Ähnlich verhält es sich bei Wärmepumpen, die in Frankreich bis zu 50 Prozent günstiger sind – unter anderem wegen einer anderen Förderkulisse, geringeren Nebenkosten und weniger Bürokratie. Die Energiewende muss wirtschaftlich gestaltet sein, wenn sie erfolgreich sein soll. Kommt eine Technologie ohne Förderung aus, sollte man sie auch infrage stellen.
PV-Anlagen sind tatsächlich deutlich günstiger geworden, die Investition rechnet sich oft nach wenigen Jahren. Muss der Staat nicht trotzdem ein Signal senden, damit Menschen umsteigen?
Gramling: Wer in der Vergangenheit eine PV-Anlage installieren wollte, hat dies in der Regel bereits getan. Im Neubau werden solche Anlagen ohnehin standardmäßig mitgeplant. Deshalb halte ich eine Förderung nicht für zielführend, wenn eine Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann. Zugleich müssen wir dringend auf die Netzstabilität achten. Es können nicht mehr beliebig Solaranlagen installiert werden, wenn das Stromnetz dem nicht standhält.
Deutschland hat das Ziel, bis 2030 insgesamt 80 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, aktuell sind es knapp 60 Prozent. Ist das Ziel zu schaffen?
Gramling: Für mich ist entscheidend, dass wir in die richtige Richtung gehen. Erneuerbare Energien brauchen wir – auch, um unabhängiger zu werden, das steht außer Frage. Dabei geht es nicht nur um Wind und Sonne, sondern ebenso um Geothermie, Wasserkraft und Biomasse. Im Strombereich sind wir auf einem guten Weg, im Wärmesektor müssen wir deutlich mehr tun. Eine besondere Herausforderung sind die vielen Immobilien, die schon vor 1980 gebaut wurden. Deshalb haben wir beispielsweise im Koalitionsvertrag beschlossen, Immobilienerben steuerlich zu fördern, wenn sie energetisch sanieren. Wir müssen den Menschen einen gangbaren Weg aufzeigen.
Langfristig soll die Bundesrepublik dann klimaneutral sein. Wird das klappen?
Gramling: Selbst wenn Deutschland ab morgen kein CO₂ mehr ausstoßen würde, hätte das kaum Einfluss auf die weltweite Entwicklung. Wir sind für 1,8 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, stellen aber nur 1 Prozent der Weltbevölkerung. Das bedeutet, wir stoßen mehr aus, als uns zustehen würde. Daraus erwächst unsere Verantwortung – und deshalb tun wir auch mehr als viele andere Länder. Wichtig ist jedoch, dass wir nicht vor den Zielen erstarren, sondern die Menschen mitnehmen und ihnen Schritt für Schritt näherkommen.
Bleibt das Ziel, 2045 klimaneutral zu sein, früher als der Rest der EU? Bundeskanzler Merz hatte kürzlich Zweifel erhoben, ob das sinnvoll ist.Gramling: Ich halte es für wichtig, am Ziel festzuhalten, halte aber nichts davon, sich an einer starren Jahreszahl festzuklammern. Gleiches gilt für den Verbrennungsmotor. Deutschland braucht einen neuen Pragmatismus.

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