„Wir bekommen ein unmenschliches Gesundheitswesen“
Gefährlich. So stufen, in ein Wort zusammengefasst, Apotheker aus der Region die politische Entscheidung ein, dass künftig die Drogeriekette „DM“ Medizin verkaufen darf.
Region Heilbronn - Gefährlich. So stufen, in ein Wort zusammengefasst, Apotheker aus der Region die politische Entscheidung ein, dass künftig die Drogeriekette „DM“ Medizin verkaufen darf. Gefährlich nicht nur für die wirtschaftliche Existenz der bestehenden Apotheken - sondern auch für die Kunden.
„Gesundheit ist nicht dasselbe wie ein Kilo Bananen, das man irgendwo kauft, oder ein Buch, das man übers Internet bestellt“, sagt Ute Engelhardt, Mitinhaberin der Weinsberger Römer-Apotheke. Ihre Beispiele sind so anschaulich wie erschreckend: Eine Frau, die mit der Pille verhütet und ohne Beratung ein Johanniskrautpräparat kauft und einnimmt, kann ungewollt schwanger werden.
Ein Antibiotikum wirkt nicht, wenn gleichzeitig Calcium oder Magnesium geschluckt wird. „Das“, sagt Engelhardt, „sagt Ihnen in diesen Drogeriemärkten keiner.“ Den Mitarbeiterinnen der Drogerien ist sogar ausdrücklich verboten, Auskünfte zu Medikamenten zu erteilen.
Falsche Sicherheit In der Unkompliziertheit, mit der Arzneimittel dann zu haben sein werden, sieht Nasrin Kleinhans die Gefahr, dass die Menschen sich zu Unrecht in Sicherheit wiegen: „Wer ein Medikament im Drogeriemarkt kauft, wird das Gefühl haben: Es ist gut“, glaubt die Mitinhaberin der Sichererschen Apotheke in Heilbronn. Dass etwa Aspirin die Blutung fördert und deshalb nach Zahn-Operationen oder bei Regelbeschwerden ein denkbar unpassendes Schmerzmittel ist, „wissen viele gar nicht“. In einer Apotheke bekommen sie es gesagt.
Mit einer provokanten Gegenfrage beantwortet der Präsident der Landesapothekerkammer die Frage nach arzneiverkaufenden Drogerien: „Und wann“, fragt Dr. Günther Hanke, „machen die Notdienst?“ Einerseits Medikamente abzugeben, andererseits die zeitaufwendigen, lebensnotwendigen und weniger lukrativen Versorgungszweige den Apotheken zu überlassen, nennt er „übelste Rosinenpickerei“.
Als Kammervorsitzender sieht der Inhaber der Heilbronner Einhorn-Apotheke „langfristig das Problem, ob wir künftig überhaupt noch einen anständigen Notdienst zusammenkriegen“. Nach und nach werden bestehende Apotheken verschwinden, am Ende werde der Verbraucher der Dumme sein: „Wenn meine Enkel nachts was haben, kann ich nicht zum ,DM’ gehen. Wir kriegen dann ein unmenschliches Gesundheitswesen.“
Stimme.de