Stimmt!-Schreiber Johannes hat einen Monat auf Shoppen verzichtet
Einen Monat lang kein Shopping? Stimmt!-Schreiber Johannes Zimmermann hat es ausprobiert.

Geld macht nicht glücklich – wie oft wir diesen Satz wohl schon in unserer Kindheit gehört haben? Und tatsächlich ist es wohl so, dass wir Menschen – sobald unsere Grundbedürfnisse gesichert sind – ab einem bestimmten Einkommen nicht mehr glücklicher werden. Und trotzdem werden wir tagtäglich mit Werbung konfrontiert und zum Konsumieren eingeladen. Seien es schrille, bunte Werbeplakate, Pop-Up-Benachrichtigungen auf dem Smartphone, Angebote im Supermarkt oder die nicht überspringbaren Anzeigen vor Youtube-Videos – sie alle haben eines gemeinsam: Man will uns glauben lassen, dass uns genau dieses Produkt glücklich machen wird. Dass uns genau diese Dienstleistung zur Erfüllung verhilft.
Der Konsum geht in unseren Kulturkreisen weit über das Notwendigste hinaus. Ich meine, mal im Ernst: Niemand würde eine Rolex besitzen, wenn es ihm nur darum geht, die Uhrzeit zu kennen. Niemand einen Lamborghini fahren, nur um am Wochenende die Großeltern zu besuchen. Niemand ein iPhone besitzen, weil man damit besser telefonieren kann als mit einem Nokia-Telefon. Ja, neben der Sicherung unserer Grundbedürfnisse kann Konsum auch unseren Wunsch nach Geltung und Anerkennung erfüllen, indem er uns Statussymbole verschafft. Ob und inwieweit Konsum richtig und wichtig ist, ist eine zutiefst philosophische Frage, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Doch haben mich die vorangehenden Gedanken dazu ermutigt, ein Selbstexperiment zu wagen: Ich möchte 31 Tage lang nichts einkaufen und auf jeglichen Besitzkonsum verzichten – ein „No-Merch-March“, ein konsumfreier März also. Aber darüber hinaus? Gelingt es mir, einen komplett neuen Lebensstil zu entwickeln? Um erst einmal den Monat zu überstehen, habe ich ein paar Ausnahmen festgelegt:
- Lebensmittel – selbsterklärend.
- Verbrauchsgegenstände – selbstverständlich muss ich auch nicht auf Zahnpasta und Toilettenpapier verzichten.
- Transportkosten – die Flexibilität mit Bus, Bahn oder Auto ist für meinen Alltag sehr wichtig.
Was macht es mit einem Menschen, nichts zu konsumieren? Das ist die spannende Frage, der ich mich stellen möchte. Denn einen Monat auf Shopping zu verzichten, das kann jeder aushalten.
Tag 2
Ich gebe zu, der Start in den Selbstversuch ist ein wenig holprig, da mich heute am 2. März noch ein verspätetes Paket erreicht, welches eigentlich schon vor Wochen losgeschickt wurde. Also nutze ich die Gelegenheit, um zu beobachten, was dieser kurze Dopaminanstieg durch den Konsum mit mir macht: Ich packe die Yogihose aus, freue mich darüber, trage sie in den folgenden Tagen – und schon ist sie ein normaler Bestandteil meines Alltags und nichts Besonderes mehr. Sie macht mich nicht glücklicher, als wenn ich sie nicht besessen hätte.
Tag 7
Ich habe angefangen, eine Liste mit Dingen zu führen, die ich mir kaufen möchte. Denn es geschieht immer wieder, dass mir praktische Gegenstände einfallen, die mein Leben bereichern würden: ein Buch, ein Etui für die Sonnenbrille, einen neuen Pullover…doch anstatt dem Drang nachzugeben und mir all diese Wünsche sofort zu erfüllen, schreibe ich sie einfach nur auf. Ich habe sie nicht vergessen. Mal sehen, was ich nach einem Monat mit dieser Liste mache.
Tag 10
Interessanterweise vermisse ich nichts, wie ich so mit Freunden durch die Stadt bummele. Ja, ein belegtes Brötchen ist in Ordnung, das ist schließlich überlebenswichtig! Aber ehrlich gesagt gehe ich lediglich mit einem zufriedenen Lächeln an den Schaufenstern vorüber, die vor unnützem Zeug nur so überquellen. Ich habe noch nie zuvor bemerkt, wie viele der uns angebotenen Produkte einfach nur Ramsch sind.
Tag 18
Tatsächlich muss ich heute die einzige Ausnahme des ganzen Experiments machen, indem ich mir einen Ausrüstungsgegenstand für den anstehenden Urlaub Ende März auf eBay bestelle. Ich wünschte, ich könnte mein Zögern und Hadern mit dieser Entscheidung in Worte fassen. Ganz deutlich wird mir hier der Unterschied zwischen den Dingen, die ich einfach nur will, und denen, die ich wirklich brauche. In Zukunft möchte ich mein Geld mehr für das einsetzen, was ich brauche, und die restlichen Wünsche kritischer hinterfragen. Welches Bedürfnis steht wirklich hinter ihnen? Will ich den Gegenstand? Oder will ich nur das Gefühl, welches er mir schenkt?
Tag 21
Ich habe noch ein wenig über den letzten Gedanken nachgedacht: Für unsere Vorfahren waren so viele Güter einfach nicht verfügbar – daran konnte man nichts ändern. Und ich glaube nicht, dass dieser Fakt sie so viel unglücklicher gemacht hat. Nein, es ist überhaupt kein Problem, auf etwas zu verzichten, was es einfach nicht gibt. Vielmehr ist es die ständige Verfügbarkeit von allen Dingen zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt, die den Verzicht so schmerzlich macht. Ist diese Art von asketischem Verzicht eines der Geheimnisse, warum die fernöstlichen Mönche in ihren Klöstern so gelassen wirken?
Tag 25
Heute schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich kaufe für ein Geburtstagsgeschenk nämlich nur Lebensmittel ein, um diese weiterzuverarbeiten – also habe ich noch nicht einmal konsumiert. Das Beste daran aber ist, dass mir das Schenken und Geben wahre Freude verschafft. Ganz im Gegensatz zu dem kurzfristigen Vergnügen, wenn ich mir selbst ein Konsumerlebnis gönne.
Tag 28
Als ich die Kosten für den Mietwagen bezahle, mit dem meine Freundin und ich durch die österreichischen Alpen fahren werden, kommt es mir schon gar nicht mehr wie Konsum vor. Es ist ein Lebensgefühl, und das entsteht nicht durch den Konsum des Autos, sondern die Freude an der Reise. Und die ist keine Dienstleistung, kein Besitz. Sie ist eine einzigartige Erinnerung – und daher sind es meine eigenen Gedanken, die mich zufrieden machen.
Tag 31
Es ist schon erstaunlich, wie ich heute, am letzten Tag dieses Selbstversuchs, meine Einkaufsliste überfliege. Sie umfasst nicht weniger als 43 Dinge, die ich mir in den letzten 31 Tagen aneignen wollte. Und wie viele davon werde ich mir jetzt wirklich kaufen? Tatsächlich keinen einzigen Gegenstand! (Die Liste habe ich übrigens mittlerweile weggeworfen). Mein Fazit Ich bin ganz ehrlich: Strenge Geister würden mir die Mietwagenbuchung und den Einkauf bei eBay als ein Scheitern meines Experiments anrechnen. Ich bin anderer Meinung: Es war ein voller Erfolg, denn der letzte Monat steckte voller wertvoller Erkenntnisse, die ich zum Ende dieses Artikels mit dir teilen möchte:
Verzicht ist wertvoll: Ich habe nicht an Lebensqualität eingebüßt, sondern im Gegensatz sogar mehr Lebensqualität dazugewonnen, da ich mich nicht ständig darauf fokussiert habe, was ich mir als nächstes anschaffen kann. Somit blieb viel mehr Zeit, um die Schönheit der Dinge zu genießen, die bereits da sind.
Schreib eine Liste und warte ab: Ganz ehrlich: Ich habe keinen der 43 Gegenstände gekauft, die ich mir notiert hatte. Ich kann dir nur empfehlen, die Dinge, die du anschaffen möchtest, auf eine Liste zu schreiben. Wenn du nach drei Wochen auf diese Liste blickst und dir die Punkte immer noch wichtig sind, kannst du dir ja ernsthaft überlegen, sie zu holen. Doch die meisten Dinge werden dir einfach im Laufe der Zeit überflüssig erscheinen – wenn du die Geduld hast, zu warten.
Schätze das, was du hast, mehr. Wenn Konsum nicht alltäglich ist, sondern ein besonderes Vergnügen, das wir uns gönnen, dann können wir es vielmehr wertschätzen, wenn wir uns dann doch mal etwas kaufen.
Jeder Schritt für sich ist ein großer Gewinn: Du musst nicht komplett auf jeglichen Konsum verzichten. Wenn es mir mit diesem Artikel gelungen ist, dich zum Nachdenken anzuregen und dein eigenes Konsumverhalten einmal unter die Lupe zu nehmen, dann habe ich meine Aufgabe erfüllt. Es gibt sicher viele Gegenstände und Dienstleistungen, die wirklich nützlich für uns sind. Die einzige Frage, die ich mir stellen würde, um das zu entscheiden ist: Brauche ich das wirklich – und macht es mich zu einem glücklicheren, besseren Menschen?