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Corona ist für baden-württembergische Wähler das Top-Thema

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Am Sonntag ist Landtagswahl. Der Freiburger Politikprofessor Ulrich Eith erklärt, welche Faktoren unsere Wahlentscheidungen beeinflussen und welche Vor- und Nachteile das baden-württembergische Wahlsystem hat.

von Annika Heffter
In vielen Wahlkreisen in der Region wird die Landtagswahl mit Spannung erwartet. Auch in Heilbronn, wo sich die Grünen und die CDU ein knappes Rennen liefern dürften.
Foto: Mario Berger
In vielen Wahlkreisen in der Region wird die Landtagswahl mit Spannung erwartet. Auch in Heilbronn, wo sich die Grünen und die CDU ein knappes Rennen liefern dürften. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg wird in den regionalen Wahlkreisen mit Spannung erwartet. Professor Ulrich Eith berichtet, welche Faktoren bei der Wahlentscheidung eine Rolle spielen.

Professor Eith, steigt die Politikverdrossenheit der Menschen in der Corona-Krise und wird sich das auf die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl auswirken?

Ulrich Eith: Auszuschließen ist das nicht. Aber aus den vorliegenden Daten ist keine Wechsel- oder Proteststimmung ablesbar. Ganz im Gegenteil: Eine Auswirkung von Corona ist es, dass es eine hohe Briefwahlbeteiligung geben wird. Sehr viele haben bereits per Briefwahl abgestimmt.

Auch in der Region gibt es einen klaren Trend hin zu mehr Briefwählen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Eith: Bisher haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Briefwahl wird vor allem von mobilen und auch älteren Menschen als komfortable Form der Stimmabgabe wahrgenommen. Es kann gut sein, dass uns diese Entwicklung teilweise erhalten bleibt, so wie Corona ja auch in anderen Bereichen und Branchen zu einem Digitalisierungsschub geführt hat.

In manchen Wahlkreisen in der Region wie in Eppingen sind langjährige Erstmandatsträger nicht mehr am Start. Kann das für eine Partei zum Verhängnis werden?

Eith: Bei der Wahlentscheidung spielen mehrere Kriterien eine Rolle: parteipolitische Bindungen und Traditionen, die persönliche Einschätzung der Kandidaten und Sachfragen. Die Zeiten, in denen allein Parteibindungen die Wahl bestimmt haben, sind vorbei. Wenn langjährige Mandatsträger ihre Karriere beenden, kommt es entscheidend darauf an, ob die neuen Kandidaten bei den Wählern Vertrauen generieren können.

Im Wahlkreis Heilbronn wird ein spannendes Rennen zwischen Susanne Bay (Grüne) und Thomas Strobl (CDU) erwartet. Ist Prominenz wie im Fall des Innenministers auch ein Entscheidungskriterium?

Eith: Bekanntheit ist erst einmal ein Vorteil, solange die öffentliche Stimmung sich nicht gegen die Person richtet. Daneben gibt es aber auch noch das Kriterium, welche Partei als Gewinnerpartei wahrgenommen wird. Es gibt Wähler, die mit ihrer Wahlentscheidung vor allem zu den Gewinnern gehören wollen.

In der Heilbronner Region wird neben Corona unter anderem viel über das Thema Verkehr gesprochen. Spiegelt sich das in ganz Baden-Württemberg wider?

Eith: In den Umfragen steht der Umgang mit Corona ganz oben auf der Liste der wichtigen Themen. Daten der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zeigen, dass 66 Prozent der Baden-Württemberger dies als wichtigstes Thema ansehen. Als nächstes werden die Bereiche Umwelt, Klima und Energiewende genannt. Was den Verkehr angeht, wird je nach Region unterschiedlich diskutiert. In den Zentren der Automobilindustrie spielt der Strukturwandel eine besondere Rolle, in der Region Freiburg geht es beim Thema Verkehr eher um Fernradwege, um aus dem Umland schneller ins Zentrum zu kommen. Je nach Region und eigenen Interessen variieren also die Schwerpunkte.

Inwiefern beeinflussen aktuelle Themen oder Skandale eine Wahl?

Eith: Wähler mit geringerem politischen Interesse reagieren in der Regel stärker auf aktuelle Stimmungslagen als diejenigen, die politisch gut informiert sind und eine ausgeprägte politische Position haben.

Das Wahlsystem in Baden-Württemberg sieht vor, dass man seine Stimme einer Person im eigenen Wahlkreis geben kann. Wahllisten oder eine Zweitstimme für eine Partei gibt es nicht. Ist das ein gutes System?

Eith: Der Vorteil unseres Systems ist, dass die Abgeordneten allein durch Stimmen direkt aus ihrem Wahlkreis legitimiert werden. Das verschafft ihnen eine größere Unabhängigkeit gegenüber ihrer Landespartei oder auch der Landesregierung, selbst wenn sie einer Regierungspartei angehören. Die Abgeordneten haben einen größeren Handlungsspielraum, die Landesparteien hingegen weniger Steuerungs- und Disziplinierungsmöglichkeiten.

Und die Nachteile?

Eith: In der aktuellen Diskussion über das Wahlrecht geht es vor allem um die Zusammensetzung des Landtags. Frauen sind derzeit stark unterrepräsentiert. Um das zu ändern, ist aus meiner Sicht ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht wie bei der Bundestagswahl eine plausible Alternative. Dann hätten die Landesparteien die Möglichkeit, über die entsprechende Besetzung ihrer Listen eine höhere Repräsentanz von Frauen im Parlament sicherzustellen.

Auf was werden Sie am Wahlsonntag besonders schauen?

Eith: Natürlich darauf, wer künftig regieren wird. Spannend finde ich aber auch, wie SPD, FDP und AfD letztlich abschneiden werden. In den Umfragen liegen sie ganz dicht beieinander.

Zur Person

Ulrich Eith ist Professor am Seminar für Wissenschaftliche Politik an der Universität Freiburg. Zudem leitet er das Studienhaus Wiesneck in Buchenbach. Er forscht unter anderem zu Wahlen, Parteien und politischen Einstellungen.

 
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