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Warum sich die EU von Donald Trump nicht einschüchtern lassen sollte

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Aus Berlin nach Ingelfingen: Agnieszka Brugger, Bundestagsabgeordnete der Grünen, ist am 22. Januar nach Hohenlohe gekommen, um im ländlichen Raum über internationale Themen wie europäische Außenpolitik, den Brexit und die Klimakrise zu sprechen.

von Annika Heffter
Agnieszka Brugger sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.
Foto: Privat
Agnieszka Brugger sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Foto: Privat  Foto: STEFAN_KAMINSKI

Für Agnieszka Brugger bedeutet Sicherheit nicht nur militärische Stärke. Bei einem Vortrag in Ingelfingen erklärt die Vize-Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen, wie die Wirtschaft und das Klima mit europäischer Außen- und Sicherheitspolitik zusammenhängen. Wir haben nachgehakt.

 

Frau Brugger, Sie möchten, dass sich die EU in einer Welt der Konflikte besser behaupten lernt. Wie kann sie das in Bezug auf die von US-Präsident Trump angedrohten Strafzölle tun?

Agnieszka Brugger: Die EU kann durchaus selbstbewusst auf ihre Stärke blicken, gerade im wirtschaftlichen Bereich. Das Atomabkommen mit dem Iran war ein großer Erfolg und hat einen gefährlichen Konflikt diplomatisch entschärft. Es aufzugeben, nur weil Donald Trump mit Autozöllen droht, kann nicht unsere sicherheitspolitische Strategie sein. Die EU ist ein wichtiger Handelspartner der USA und sollte sich von Donald Trump nicht einschüchtern lassen. Deshalb würde ich manche Drohung und Twitterei, die aus dem Weißen Haus kommt, mit mehr Gelassenheit sehen. Wenn die EU auf der Weltbühne handlungsfähiger sein will, braucht es eine gemeinsame Haltung in der Außen- und Sicherheitspolitik.

 

Ist Europa zu abhängig von den USA?

Brugger: Schon unter Barack Obama haben die USA gefordert, die Europäer müssten mehr selbst für ihre eigene Sicherheit sorgen. Unser Handlungsdruck wird massiv dadurch verschärft, dass nun ein Präsident im Weißen Haus sitzt, auf den wir uns in Europa nicht verlassen können. Handlungsbedarf besteht aber nicht nur im militärischen Bereich. Viele Konflikte werden im Bereich von Wirtschaft und Handel ausgetragen. Hier muss die EU strategischer vorgehen, statt in eine Rüstungsspirale einzusteigen. Immer mehr Geld in den Verteidigungsetat zu pumpen, bedeutet nicht gleichzeitig ein Mehr an Sicherheit. Obwohl er in Deutschland über die letzten Jahre um mehrere Milliarden gestiegen ist, wurden die Probleme bei der Bundeswehr nicht ansatzweise gelöst.

 

Für die europäische Wirtschaft ist der Brexit eine Gefahr. Was bedeutet er für die Zukunft der EU-Außenpolitik?

Brugger: Großbritannien hat im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik bekräftigt, dass es weiter eng mit der EU zusammenarbeiten will. Allerdings hat Großbritannien in der EU über viele Jahre eine stärkere gemeinsame sicherheitspolitische Zusammenarbeit blockiert. Durch den Brexit entstehen so neue Spielräume. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass die britischen Freunde in unserer europäischen Familie bleiben.

 

Stärkere Zusammenarbeit, neue Spielräume: Sollte es eine gemeinsame europäische Armee geben?

Brugger: Ich halte das für eine Scheindebatte. Dafür müsste die Verfassung in allen Mitgliedsstaaten geändert werden. Gleichzeitig ist mir der Parlamentsvorbehalt sehr wichtig, durch den das Parlament mit darüber entscheidet, ob die Bundeswehr im Ausland eingesetzt wird. Das halte ich für eine große Errungenschaft der deutschen Demokratie. Es gibt genug Hausaufgaben in der europäischen Sicherheitspolitik, um die wir uns aktuell und pragmatisch kümmern müssen, von gemeinsamen Rüstungsprojekten bis hin zu Kooperation bei internationalen Missionen.

 

Wie kann sich die EU bei Konflikten besser bemerkbar machen?

Brugger: Nachdem Donald Trump das Iran-Atomabkommen aufgekündigt hatte, haben Frankreich, Deutschland und Großbritannien deutlich gemacht, dass sie an diesem wichtigen Abkommen festhalten möchten. Das war eine klare Position. Sie haben dem Iran versprochen, die harten Sanktionen, die Trump erlassen hat, durch ein eigenes Instrument abzumildern. Dieses Versprechen haben sie aber leider nicht gehalten. Die Bundesregierung scheut offensichtlich die Auseinandersetzung mit den USA. Die Hardliner auf allen Seiten wollen das Iran-Abkommen kaputt machen und die Bundesregierung schaut nur zu. Das beschädigt unsere Glaubwürdigkeit massiv.

 

Wenn es um Sicherheitspolitik geht, sprechen Sie auch über das Klima. Passt das in diese Kategorie?

Brugger: Die Klimakrise trägt jetzt schon dazu bei, Konflikte weltweit massiv zu verschärfen. Viele Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent entwickeln sich beispielsweise wegen Dürreperioden noch heftiger. Die Klimakrise führt dazu, dass Inseln überflutet werden, Menschen ihre Heimat verlieren und flüchten müssen. Eine Energiewende hin zu den Erneuerbaren ist aber auch in unserem europäischen friedens- und sicherheitspolitischen Interesse. Denn wer möchte bei der Energieversorgung und ihrer Sicherheit von der Königsfamilie in Saudi-Arabien oder Wladimir Putin in Russland abhängig sein?

 

Zur Person

Agnieszka Brugger ist in Legnica, Polen, geboren und in Dortmund aufgewachsen. Sie hat Politikwissenschaft, Philosophie und Öffentliches Recht studiert. Seit 2009 sitzt sie für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, seit 2018 als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Brugger beschäftigt sich mit friedens- und sicherheitspolitischen Themen und setzt sich für eine restriktivere Rüstungsexportpolitik ein. 

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