Archäologen in Öhringen: Südturm und Wehrmauer
Das Grabungsteam auf dem Areal des Krankenhaus-Neubaus hat erste Funde gemacht. Mehrere Hundertschaften römischer Legionäre waren einst in einem Kastell im heutigen Öhringen stationiert. Die Ausgrabungen fördern allmählich die Grundzüge der Wehranlage zutage.

Dass die Römer ihre Spuren rund um das Öhringer Krankenhaus hinterlassen haben, ist klar. Schon vor über 100 Jahren, beim Bau des ersten Krankenhauses, wurden geschichtsträchtige Steine und Scherben gefunden und dokumentiert. Namen wie Römerkastell und Römerallee zeugen von der Vergangenheit. So war klar, dass vor dem Neubau des Krankenhauses weitere umfangreiche Grabungen angestellt werden müssen, um mehr über das römische Kastell und seine Ausmaße zu erfahren.
Archäologen haben schon einiges entdeckt
Obwohl der erste Frost die Arbeiten schon erschwert, sind die Archäologen auf der Baustelle am Graben und Dokumentieren. Grabungsleiter Ralf Keller zieht die Folie zur Seite. Darunter liegen Steine. Nicht zufällig. Das sieht man. "Hier verlief die Wehrmauer", sagt Keller und deutet mit dem Rücken zum Kubiz stehend Richtung ehemaliges Landwirtschaftsamt. Dazwischen bricht die Steinreihe ab. "Hier war der Südturm", schreitet Keller mit großen Schritten über den hartgefrorenen Boden. Und tatsächlich erkennt selbst der Laie, dass die schmale Mauer zu einem großen Quader wird, dann folgt der Durchgang des Tors und der zweite Quader.
Außerdem hat das Grabungsteam schon jetzt die drei Gräben entdeckt und markiert, die vor der Wehrmauer dazu dienten, Angreifern das Leben schwer zu machen. Der tiefste und breiteste Graben ist der, der am weitesten von der Wehrmauer entfernt ist. Heute ist es der, der am weitesten Richtung Bahnlinie liegt. Für Ralf Keller und Klaus Kortüm vom Landesdenkmalamt ist das schon anhand der Verfärbungen des Bodens ersichtlich. Jeder andere braucht dafür die Erklärung der Profis. Die wissen: Etwa 20 bis 30 Hektar groß war die römische Siedlungen im Öhringer Stadtgebiet. Auch die etwaige Ausdehnung ist bekannt. "Wir wissen aber nicht, wo das Zentrum des römischen Öhringens war", sagt Kortüm. Es gebe Elemente, die jede römische Stadt habe wie einen zentralen Platz. "Aber wo, das wissen wir nicht."
Vermutungen wurden bestätigt

Dafür aber, wo das Kastell war. Die Archäologen sehen von den bisherigen Funden ihre Vermutungen bestätigt. "All das konnte man im Grunde nachvollziehen", sagt Kortüm und meint damit die Position von Wehrmauer und Wall. "Aber die Arbeit ist ja noch ganz am Anfang", sagt Kortüm. Denn eigentlich ist erst die Deckschicht Erde entfernt, teils 60 Zentimeter tief, teils fast eineinhalb Meter. "Das ist die Kunst, zu wissen, wann hört die moderne Auffüllung auf", weist Kortüm auf die unterschiedlichen Verfärbungen.
Kleine Kellen kommen zum Einsatz
Die Strukturen sind ersichtlich. Jetzt geht es an die Feinarbeit. Der Bagger hat die nächste Zeit weniger zu tun, dafür kommen die kleinen Kellen zum Einsatz. Schon einige Scherben sind gefunden und warten in kleinen weißen Plastikschalen auf ihre nähere Bestimmung. Kortüm ist Profi, wenn es um die genaue Datierung römischer Keramik geht. Er deutet auf einen besonderen Fund, der deshalb so besonders ist, weil sich mit ihm klar die endgültige Form des Gefäßes bestimmen lässt. Fuß, Rand und Durchmesser sind klar bestimmbar. Auch ein verziertes und glasiertes Scherbenstück bringt die Forscher in Verzückung. Es lässt sich genau datieren und sogar den Namen des Töpfers und seinen Herkunftsort kann Kortüm bestimmen.
Damit ist klar: Dieser Topf ging um 160 nach Christus zu Bruch. Die Ware stammte aus Rheinzabern. "Das war eine der Haupttöpfereien der römischen Epoche", erklärt Ralf Keller der erstaunten Zuhörerin. Und Keller hat noch eine Entdeckung gemacht: "Es gab schon 500 Jahre vor den Römern Siedlungen auf dem Areal." Sehr dunkel verfärbte Gräben deuten auf die neolithische Siedlung hin. Aus derselben Epoche sind die Funde bei Schwabbach, die ein anderes Grabungsteam im Sommer freigelegt hat.
Große Reibeschale ist Besonderheit

Zu den Besonderheiten, die jetzt schon auf eine genauere Datierung warten, gehört auch eine große Reibeschale. "Die diente dazu, pflanzliche Nährstoffe zu zerreiben", bezeichnet Kortüm die römische Küche raffinierter als die typisch germanische. Bei den weiteren Funden geht es darum, das Ende des römischen Kastells zu bestimmen. Wann wurde es aufgelassen? Gab es einen Kampf und viele Reste von Kriegswerkzeugen? Oder zogen die Römer einfach nur weiter?
Um die 500 Soldaten
Wie viele lebten überhaupt hier, in diesem Kastell, wenn derart große Töpfe und Schüsseln benutzt wurden? Auf dem etwa drei Hektar großen Gelände, erklärt Keller, war eine Einheit, also eine Kohorte stationiert. "Das waren dann so um die 500 Soldaten", sagt Kortüm.
Kein Wunder, dass die Reibe also etwas größer ausgefallen war. Die Kasernenküche musste etwas mehr leisten als in haushaltsübliche Salatschüsseln passt.
Bis Februar 2020 wird die Firma Fedolius im Auftrag des Landesdenkmalamtes auf der Baustelle des Krankenhaus-Neubaus graben und die Spuren der Römer sichern, ehe dann die eigentlichen Bauarbeiten beginnen. Wie der Neubau aussehen wird? Daran arbeitet der Architekt mit Hochdruck. Die Entwürfe für den Gesundheitscampus, zum dem auch Altenheim und Geriatrie gehören, werden am 12. Mai bei einer öffentlichen Präsentation in der Kultura den Bürgern vorgestellt.