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Neue Stolpersteine in Künzelsau erinnern an Opfer der NS-Zeit

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18 Stolpersteine verlegte Gunter Demnig am Dienstagvormittag in Künzelsau. Mit dabei waren Nachfahren von Opfern, aber auch auch von Tätern, alte Weggefährten sowie zahlreiche engagierte Jugendliche.

Nur wenige Minuten braucht Gunter Demnig für das Verlegen der einzelnen Steine. Die Stadt hatte bereits vergangene Woche die Löcher vorbereitet.
Nur wenige Minuten braucht Gunter Demnig für das Verlegen der einzelnen Steine. Die Stadt hatte bereits vergangene Woche die Löcher vorbereitet.  Foto: Draskovits, Katrin

Opfern des NS-Regimes ihren Namen wiedergeben, nachdem sie in den Konzentrationslagern zu Nummer degradiert wurden. Ihnen einen Platz in der Stadt geben, am letzten von ihnen selbstgewählten Wohnort. Erinnern, aber auch mahnen. Das sind die Ziele der Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig. 18 der mit Messing-Platten belegten Pflastersteine verlegte der 72-Jährige am Dienstagvormittag in Künzelsau. Mit dabei: Nachfahren von Opfern, aber auch auch von Tätern, alte Weggefährten sowie zahlreiche engagierte Jugendliche.

Persönliche Erinnerungen von Weggefährten

Die ersten drei Steine, die im Beisein der Öffentlichkeit verlegt werden, gehören zur Familie Berney. Genauer gesagt zu Siegfried, Truda und Hedwig Berney. Truda floh 1937 nach Palästina, da war sie 24 Jahre alt. Ihre Eltern wurden 1942 ins Transit-Ghetto Izbica deportiert und ermordet. Rund 60 Menschen sind bei der Verlegung ihrer Stolpersteine dabei. Unter ihnen: Emil Jäger. Der 92-jährige kannte viele der Familien, für die heute ein Stein verlegt wird, persönlich.

An den meisten der sieben Stationen haben Jugendliche aus den umliegenden Schulen etwas vorbereitet. Schüler der Georg-Wagner-Schule lesen im Gedenken an die Familie Stern, die in der Hauptstraße lebte, aus dem Tagebuch der Anne Frank vor. Im Kannengässle hat die 7b der Brüder-Grimm-Schule Challot gebacken - ein geflochtenes Zopf-Brot - das sie an die Umstehenden verteilen.

Das auch Berches genannte Gebäck gab es bei der früher hier lebenden Bäckerfamilie Adler. "Wir haben uns über die jüdischen Speisen dem Thema Nationalsozialismus angenähert", erklärt Frank Bolsinger, Klassenlehrer der 7b.

Er kannte viele der Menschen, für die Steine verlegt wurden, persönlich. Emil Jäger teilt seine Geschichten mit den Zuhörern. 
Fotos: Katrin Draskovits
Er kannte viele der Menschen, für die Steine verlegt wurden, persönlich. Emil Jäger teilt seine Geschichten mit den Zuhörern. Fotos: Katrin Draskovits  Foto: Draskovits, Katrin

Teil des Schulunterrichts

Einige Schüler, etwa vom Schlossgymnasium, erzählen zu den Steinen die dazugehörige Lebensgeschichten. Zusammen mit den persönlichen Erinnerungen von Emil Jäger entsteht an diesem Morgen ein Bild der Menschen, die hier lebten, ohne sie nur als Opfer zu sehen.

Vor allem das Ganerben-Gymnasium darf bei dem Termin nicht fehlen. Immerhin ging der erste in Künzelsau verlegte Stolperstein im Jahr 2015 auf die Initiative von Matthias Schneider zurück, damals Referendar am Gymnasium. "Es ist inzwischen Teil des Unterrichts bei den neunten Klassen", erklärt die begleitende Lehrerin Karin Deininger. "Wir gehen die Stolpersteine gemeinsam ab und haben dann auch gleich Putzsachen dabei, um sie bei Bedarf zu reinigen." Den Kontakt zu den Schulen pflegte von Beginn an Heinz-Wilhelm Koch vom Verein für Stadtgeschichte in Künzelsau.

Jeder der Steine hier wird in den nächsten Tagen in Süddeutschland verlegt.
Jeder der Steine hier wird in den nächsten Tagen in Süddeutschland verlegt.  Foto: Draskovits, Katrin

Mit der Geschichte auseinandersetzen

Anhand der Einzelschicksale den Schülern die Thematik des Zweiten Weltkrieges nahezubringen, ist nur eines der Ziele, die Gunter Demnig mit den Stolpersteinen verfolgt. "Die Gemeinden müssen auf mich zukommen, wenn sie Stolpersteine wollen", erklärt der 72-Jährige. "Sie sollen sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen." Genau das macht Stefan Kraut, Stadtarchivar in Künzelsau. Er hat einen großen Teil zur Verlegung beigetragen, indem er die Lebensgeschichten der Menschen erforschte.

Die Steine können dank zahlreicher Patenschaften gelegt werden. 120 Euro kostet die Erinnerung, die meist vor der Tür verlegt wird. Im Kannengässle ist Marco Stahl, Nachfahre eines SS-Mitglieds, einer der Stein-Paten. Stahl hat lange in Berlin gelebt und ist jetzt zurückgekehrt. "Ich möchte allen gedenken, die ihre Heimat nicht freiwillig verlassen haben und nicht wie ich zurückkehren konnten", begründet er seine Spende. Ein weiterer Pate ist Eberhard Dietz. "Es ist wichtig, nicht zu vergessen um nicht zu wiederholen", erklärt der Ingelfinger. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in falsches Fahrwasser geraten."

Und Gunter Demnig? Er hat noch einiges vor. Sein Auto ist voll mit Stolpersteinen. Als nächstes geht es nach Pforzheim.

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