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VW-Chef Diess watscht Wasserstoff ab

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VW-Chef Herbert Diess kritisiert die Brennstoffzellentechnologie mit markigen Worten, die bei Audi in Neckarsulm für den gesamten Konzen entwickelt wird.

von Manfred Stockburger
Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Foto: dpa
Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Foto: dpa  Foto: Silas Stein (dpa)

Nach einer Äußerung von VW-Konzernchef Herbert Diess steht ein Fragezeichen hinter der Brennstoffzellentechnologie, die bei Audi in Neckarsulm für den VW-Konzern zur Serienreife entwickelt wird. Er sei sich "sehr sicher", dass das Wasserstoffauto in den nächsten zehn Jahren keine relevante Option für den Antrieb von Autos sei, sagte der VW-Chef laut "Wirtschaftswoche" auf der IAA. "Es gibt halt Firmen, die haben da Milliarden investiert", begründete er, warum Wettbewerber die Technik als aussichtsreich darstellen.

Diess hinterfragt, woher der Wasserstoff kommen soll

Die Kernfrage ist für Diess, wo der Wasserstoff herkommen soll, der für den Betrieb der Brennstoffzellenfahrzeuge benötigt wird. Kommt das Gas aus der Industrie, habe es "zum Teil eine höhere CO2-Last als konventionelle Kraftstoffe". Produziere man Wasserstoff regenerativ, brauche man im Vergleich zum Elektroauto "drei Mal so viele Windmühlen" pro Kilometer gefahrener Strecke. "Wenn 100 Kilometer mit dem Elektroauto zehn Euro kosten, kosten sie mit Wasserstoff 30 Euro", rechnete Diess vor. "Dass man Wasserstoff aus Braunkohle herstellt, mit Schiffen nach Japan transportiert und dort in Autos füllt, das ist einfach Unsinn," kanzelte er die dortigen Wettbewerber ab.

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Unsere Abonnenten lesen das ganze Interview, in dem Audi-Entwicklungsvorstand Hans-Joachim Rothenpieler die Brennstoffzelle lobt.

Die Aussage des VW-Chefs kommt nur zwei Tage, nachdem Audi-Entwicklungsvorstand Hans-Joachim Rothenpieler im Stimme-Interview die Brennstoffzelle gelobt hatte. "Damit erreichen wir in Zukunft eine Reichweite, wie wir sie von heutigen Verbrennern gewohnt sind, bei der Performance eines reinen E-Autos", sagte er. "Das ist Vorsprung durch Technik."

Audi will SUV-Kleinserie mit Brennstoffzelle unverändert bringen

Audi will in Neckarsulm zu Beginn des kommenden Jahrzehnts ein Brennstoffzellen-SUV in Kleinserie bauen. Daran werde sich durch die Aussagen von Diess nichts ändern, betonte ein Audi-Sprecher. "Wir arbeiten bei Audi unverändert am Wasserstoffantrieb als Zukunftstechnologie." Für Wettbewerber, die auf der IAA in Frankfurt ähnliche Fahrzeuge zeigen, hatte Konzernchef Diess nur Spott übrig: "Haben Sie die mal gefragt, wo der Wasserstoff herkommt?"

Die Technologiekritik folgt auf einen Wechsel an der Spitze der Konzerngeschäftsstelle Brennstoffzelle: Der ehemalige Getrag-Einkäufer Michael Hofmann hat Petra Hackenberg-Wiedl abgelöst, die bei Audi nun E-Autos auf der PPE-Plattform entwickelt.

Audi-Betriebsrat stellt sich hinter die Technologie

Der Neckarsulmer Betriebsratsvorsitzende Rolf Klotz stellte sich hinter seine Mannschaft: "Wir glauben an die Brennstoffzelle und unterstützen die intensive Entwicklungsarbeit unserer Fachleute in Neckarsulm und im Konzern." Der Wasserstoffantrieb habe für ausgewählte Einsatzzwecke den besseren Nutzwert.

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Kommentar: "Explosiv"

Ein Chefwechsel, Gerüchte über Einschnitte beim Budget und die wabernde Grundsatzdiskussion über Sinn und Unsinn der Technologie: Die Neckarsulmer Brennstoffzellenentwickler, die die Technologie aus dem Audi-Showroom auf der Buga auf die Straße bringen sollen, sind wahrlich nicht zu beneiden.

Schon vor der Automesse in Frankfurt hatte die Konzernmutter VW die Studie des ehemaligen Audi-Vorstands Dietmar Voggenreiter verbreitet, der der Wasserstofftechnik alles andere als Bestnoten gibt. Doch was Herbert Diess jetzt sagt, lässt all die anderen Themen zu Nettigkeiten am Rande werden. Würde der Konzernchef noch Piëch oder Winterkorn heißen, dann könnten die Entwickler ihre Sachen packen.

Diess mag bei seiner Wasserstoff-Tirade zuerst an die Wettbewerber und nicht die eigene Konzerntochter gedacht haben – und an die Politik, die er für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Batterieautos braucht. Deswegen sagt die Episode nicht nur eine Menge über den Zustand der VW-Konzerns aus, sondern über den Verfassung der gesamten Branche. Da ist es kein Wunder, dass deren Cheflobbyist Bernhard Mattes parallel zu Diess Aussagen seinen Rückzug angekündigt hat. Egal ob Neckarsulm, Wolfsburg oder Frankfurt: Die Nervosität der Autobranche ist nicht zu übersehen.
 

 

 

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Kommentare

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Günther Jakob am 15.09.2019 11:28 Uhr

Zitat: " E-Autos mit Akkus können nur eine Übergangslösung sein, bis das Wasserstoff-Auto serienreif ist"

Das ist ein Widerspruch in sich! Denn Wasserstoff-Autos sind nichts anderes als E-Autos mit einer Brennstoffzelle als Range-Extender. Und ein solcher Range-Extender, der den Gesamtwirkungsgrad des Fahrzeugs deutlich verschlechtert (wegen der nötigen zusätzlichen Energieumwandlungskette Strom -> Wasserstoff -> Strom) ist nur sinnvoll solange man mit Akkus vorlieb nehmen muss, deren spezifische Energiedichte keine großen Reichweiten bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten erlauben. Bis die Brennstoffzelle hinreichend serienreif ist und vor allem bis ein hinreichend es Wasserstofftankstellennetz aufgebaut ist, sollten allerdings Akkus mit deutlich besserer Energiedichte verfügbar sein, so dass ich eher das Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenauto als Übergangslösung betrachten würde, zumal dieses prinzipiell i- d.h. physikalusch bedingt - mmer einen deutlich schlechteren Gesamtwirkungsgrad haben wird als das reine E-Auto...

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Hans-Ulrich Wagner am 14.09.2019 16:58 Uhr

VW-Chef Diess muss ich leider widersprechen. E-Autos mit Akkus können nur eine Übergangslösung sein, bis das Wasserstoff-Auto serienreif ist und daran arbeitet ja gerade Audi. Wasserstoff-Antrieb ist eigentlich auch elektrisch, nur wird der Strom mit Wasserstoff erzeugt. Das Material der E-Akkus besteht überwiegend aus "Seltenen Erden" und wie der Name schon sagt, ist hiervon nicht unendlich viel vorhanden, im Gegensatz zum Wasserstoff. Also ist es möglich, daß Rohstoffe für Akkus so teuer werden, daß sich kaum noch jemand ein E-Auto leisten kann.

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Peter Henschel am 14.09.2019 11:01 Uhr

Deiss-Taktik ist sehr leicht durchschaubar. Es geht vor allem um milliardenschwere Steuersubventionen. Dabei wird mal soeben ausgeblendet die Problematik bzgl. Generierung von Kobalt, Lithium, welche verbunden ist mit Kinderarbeit und Umweltverschmutzung, allerdings in anderen Länder. Deiss fragt süffisant nach woher der Wasserstoff kommen soll. Woher kommt der Strom, wenn auf Masse der E-Mobilität umgestellt wird. Atomkraftwerke stillgelegt. Kohle soll auch am liebsten schon gestern der Hahn zugedreht werden. Windräder sind nicht erwünscht. Wohl alles nicht ganz zu Ende gedacht, wie so oft. Es lebe die Ideologie, koste es was es wolle!

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Frederik Schulze am 13.09.2019 21:15 Uhr

Nicht dss technisch "beste" wir vom Markt gekauft, sondern das einfachste und Simpelste.

Wasserstoff ist in der Herstellung, Speicherung und Verstromung Hochkomplex. Den Aufwand möchte keiner bezahlen wollen.

Da ist Strom speichern deutlich einfacher.
Die Mühen der Forschung und Entwicklung lieber in die Batteriesysteme der Zukunft stecken als in Komplexe Wasserstoffsysteme.

Im Lastenverkehr mag das noch evtl. Sinnhaftig sein. Im PKW mit 80-90%igen Standzeiten eher unwirtschaftlich.

Ja und noch was zum SUV- Boom.
Kfz Steuer neu benessen würde das problem eindämmen.

Allgemeine Formel für die KFZ Steuer:

(Leergewicht × Leistung in KW ) ÷ 1000

Dann hört es bald auf mit den Großraumfahrzeugen die keiner braucht.

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