DIHK: "Rechtsextremismus gefährdet unser Wirtschaftsmodell"
DIHK-Vizehauptgeschäftsführer Achim Dercks setzt im Stimme-Interview auf die Vorbildfunktion der Betriebe bei der Integration von Geflüchteten.

Immer mehr Unternehmen und Verbände positionieren sich gegen rechtsextreme Tendenzen. Warum das so ist, erklärt im Interview Achim Dercks, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Berlin.
Herr Dercks, welche Rolle kommt der Wirtschaft in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu?
Achim Dercks: Wir müssen deutlich machen, dass Rechtsextremismus nicht nur das Ansehen Deutschlands in aller Welt beschädigt – mit negativen wirtschaftlichen Folgen. Es gefährdet auch unser Wirtschaftsmodell, das sowohl von der Anerkennung der Produkte "Made in Germany" in aller Welt lebt, als auch vom Vertrauen in die politische Stabilität und die Werte der sozialen Marktwirtschaft. Die deutsche Wirtschaft lebt diese Weltoffenheit in ihren Betrieben selbst auf vielfältige Weise vor.
Welche Rolle spielt dabei der DIHK?
Dercks: Der DIHK setzt sich dafür ein, dass Weltoffenheit, Toleranz und grenzüberschreitender Austausch nicht nur in der Wirtschaft wichtig sind, sondern auch zum Kern unseres Gesellschaftsmodells gehört. Das selbstverständliche Zusammenarbeiten in den Betrieben und das Erleben kultureller Vielfalt prägen die Menschen in den Belegschaften und vermittelt diese Grundidee daher noch mehr als öffentliche Bekenntnisse und politische Diskussionen.
Durch den wirtschaftlichen Austausch kommen sich auch Menschen über Grenzen hinweg näher – aus wirtschaftlichen Beziehungen werden Partnerschaften, die über den konkreten geschäftlichen Kontakt hinausgehen. In diesem Bereich ist auch das weltweite AHK-Netz von 140 Büros in mehr als 90 Ländern eine wichtige Basis, um über die Grenzen von Kulturen und Religionen hinweg in wirtschaftlicher Perspektive zusammenzuarbeiten.
Viele IHKs haben sich für die Integration von Flüchtlingen starkgemacht. Bleibt die Wirtschaft dabei?
Dercks: Die steigenden Zahlen bei der Beschäftigung von Geflüchteten ebenso wie die wachsende Zahl von Azubis zeigen, dass sich dieses Engagement der Unternehmen fortsetzt. Die IHK Organisation unterstützt das sehr praktisch mit Hilfestellungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IHKs vor Ort.
Der DIHK koordiniert zudem in Kooperation mit dem Bundeswirtschaftsministerium das bundesweite Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ mit inzwischen rund 1.800 Mitgliedsunternehmen, die sich bei der Integration von Flüchtlingen besonders einbringen. Die Beschäftigung Geflüchteter hilft dem einzelnen Betrieb nicht nur bei der Fachkräftesicherung: Integration funktioniert auch ganz besonders gut dort, wo Menschen miteinander arbeiten.
Reichen diese Anstrengungen angesichts der Lage aus?
Dercks: Beim Thema der Integration am Arbeitsmarkt müssen wie bei anderen Herausforderungen viele beteiligte Akteure zusammenarbeiten. Niemand hat alle Faktoren und Lösungen allein in der Hand. Deshalb ist es positiv, dass die Politik auch immer wieder unsere Vorschläge aus den praktischen Erfahrungen der Betriebe aufgreift.
So ist beispielsweise die 3+2 Regelung für Azubis auf Vorschlag der Kammerorganisationen konkrete Politik geworden. Im Ergebnis können Flüchtlinge auf Basis einer Duldung eine Ausbildung in einem deutschen Unternehmen machen und danach noch mindestens 2 Jahre im Land arbeiten. Allerdings weisen wir regelmäßig daraufhin, dass diese Regelung bislang nicht bundesweit einheitlich angewandt wird. An diesem Punkt bleiben wir hartnäckig dran.
Welche Folgen haben die Bilder aus Chemnitz für das Image der deutschen Wirtschaft im Ausland?
Dercks: Bilder haben immer eine starke Wirkung. Sie können mögliche Fachkräfte abschrecken, die aus aller Welt ansonsten zu uns kommen wollen. Auch deshalb setzt sich die Wirtschaft entschieden dafür ein, dass die Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Kernbestand unseres Zusammenlebens und damit auch Basis des wirtschaftlichen Handelns von allen geachtet werden müssen.
Welche Folgen hätte es, wenn ausländische Experten einen Bogen um Deutschland machen würden?
Dercks: Unternehmen suchen in ganz Deutschland, über viele Branchen und Regionen hinweg, händeringend nach qualifizierten Fachkräften. Rund 1,6 Millionen Stellen können deshalb längerfristig nicht besetzt werden. Diese Situation wird sich sogar noch verschärfen, weil in den nächsten Jahren deutlich mehr Menschen in den Ruhestand gehen als junge Menschen ins Berufsleben einsteigen. Die deutsche Wirtschaft ist deshalb dringend auf qualifizierte Fachkräfte aus dem In- und Ausland angewiesen.