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Kriegsgefahr in Europa
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Heilbronner Oberstleutnant: „Nur noch zwei Jahre für Vorbereitung auf Ernstfall“

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Oberstleutnant Markus Mühlbauer leitet das Verbindungskommando der Bundeswehr zur Stadt Heilbronn. Im Interview spricht er über neue Prioritäten und die Rolle der Zivilgesellschaft.


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Die Bedrohungslage in Europa wächst, wie zuletzt der Abschuss russischer Drohnen über Polen zeigte. Die Zivilgesellschaft muss sich dringend besser auf den militärischen Ernstfall vorbereiten, mahnen Experten. Um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und der Bundeswehr zu ermöglichen, sind in kreisfeien Städten und den Landkreisen in Deutschland sogenannte Verbindungskommandos eingerichtet worden. Oberstleutnant Markus Mühlbauer leitet als Reservist das Kommando für die Stadt Heilbronn. Im Interview spricht der 57-Jährige über die Aufgaben und Perspektiven.

Was macht ein Verbindungskommando?

Oberstleutnant Mühlbauer: 2006 wurden in jedem Stadt- und Landkreis in Deutschland Verbindungskommandos eingerichtet, die überall gleich aufgebaut sind. Das kommt daher, dass die Bundeswehr ihre Präsenz in der Fläche nach Ende des Kalten Krieges immer mehr reduziert hat. Trotzdem wollte man sicherstellen, dass die Bundeswehr bei Naturkatastrophen wie einem Hochwasser oder einem ICE-Unfall verfügbar ist. Deshalb die Verbindungskommandos, die an der Schnittstelle zu den Blaulicht-Organisationen angesiedelt sind. Wir in Heilbronn haben zum Beispiel eine Zelle bei der Berufsfeuerwehr und sind dabei, wenn der Verwaltungsstab der Stadt zusammengerufen wird. So soll sichergestellt werden, dass die Bundeswehr frühzeitig über mögliche Einsatzlagen informiert ist und bei Bedarf schnell tätig werden kann.

Heilbronner Oberstleutnant: Akzeptanz für die Bundeswehr ist in der Pandemie gestiegen

Wie groß ist Ihr Kommando?

Mühlbauer: Unser Kommando besteht aus 13 Personen, wir können also bei Bedarf auch im Schichtdienst arbeiten. Wir sind alle Reservisten, das heißt, wir haben ganz normale zivile Berufe, ich arbeite zum Beispiel in der Logistikbranche. Unserer Tätigkeit für die Bundeswehr gehen wir außerhalb unserer Arbeitszeit nach, für mehrtägige Einsätze werde ich von meinem Arbeitgeber freigestellt. 

Menschen in Uniform müssen besser sichtbar werden, um die Akzeptanz für die Bundeswehr zu erhöhen, sagt Oberstleutnant Markus Mühlbauer (kleines Foto), der in Heilbronn das Verbindungskommando leitet.
Menschen in Uniform müssen besser sichtbar werden, um die Akzeptanz für die Bundeswehr zu erhöhen, sagt Oberstleutnant Markus Mühlbauer (kleines Foto), der in Heilbronn das Verbindungskommando leitet.  Foto: dpa (groß) / privat (klein), Montage: stimme.de

Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Mühlbauer: In der Vergangenheit hat die Bundeswehr vor allem bei Naturkatastrophen wie dem Ahrtal-Hochwasser geholfen oder bei größeren Unfällen. In der Corona-Pandemie hat sich die öffentliche Wahrnehmung und Akzeptanz für die Bundeswehr deutlich verbessert – dadurch, dass wir bei der Organisation der Impfkampagne unterstützt haben. In Heilbronn sind wir 2018 zum ersten Mal von der zuständigen Bürgermeisterin begrüßt worden, 2019 dann auch vom Oberbürgermeister. Mittlerweile sind wird hier stark vernetzt, vor allem die Zusammenarbeit mit den Blaulicht-Organisationen funktioniert hervorragend. Das braucht es aber auch, es muss in den Köpfen ankommen, dass wir uns vorbereiten müssen. 

Wie sehen Sie Ihre künftige Rolle?

Mühlbauer: Unsere Prioritäten sind inzwischen ganz andere. An Position eins für die Bundeswehr steht der Heimatschutz, an zwei dann die Unterstützung für befreundete Truppen in Deutschland. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass die Amerikaner ihre Truppen Richtung Osten verlegen. Dann ginge es auch darum abzuklären, wo sie sicher rasten können. Solche Themen werden uns in den nächsten Jahren beschäftigen. Wir betreuen die Kreise und Kommunen und erklären ihnen, was auf sie zukommen könnte.

Heilbronner Oberstleutnant: Menschen in Uniform besser sichtbar machen, um Image zu fördern

Wir gut ist die Vorbereitung der deutschen Zivilgesellschaft bisher? 

Mühlbauer: Meine Wahrnehmung als Privatmann: nicht gut. Im Ernstfall kommen unendlich viele Themen auf die Kommunen zu, Wie kann die Trinkwasserversorgung sichergestellt werden? Was ist bei Elektrizitätsausfällen? Wie schützen wir unsere Krankenhäuser? Was tun, wenn das Handynetz ausfällt und so weiter. Viele haben noch nicht einmal begonnen, sich damit zu beschäftigen. Ich habe manchmal den Eindruck, es wird erstmal abgewartet, bis eine Anweisung von Land oder Bund kommt. Aber so viel Zeit haben wir nicht. Experten gehen davon aus, dass Russland 2029 in der Lage sein könnte, einen Nato-Staat anzugreifen. Das heißt, wir müssen bis 2028 mit unseren Vorbereitungen fertig und 2027 schon mal alles getestet haben. Wir haben also nur noch zwei Jahre, um uns vorzubereiten.

Was ist noch nötig, um die deutsche Gesellschaft resilienter zu machen?

Mühlbauer: Die Gesellschaft muss mitgenommen werden. Im Ernstfall könnte es 1000 Verletzte pro Tag geben, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik versorgt werden müssen. Wer kann die Versorgung übernehmen? Wir haben kürzlich eine Umfrage zum Katastrophenschutz in der Stadt gestartet, dabei ist uns aufgefallen, dass zum Beispiel viele Ärzte Doppel- oder sogar Dreifachfunktionen haben: sie arbeiten im Krankenhaus, sind als Notarzt im Einsatz und noch ehrenamtlich tätig. Wie soll das gehen, wenn es zusätzlich so viele Menschen zu versorgen gilt? Es ist außerdem nötig, dass Menschen in Uniform wieder Teil des normalen Straßenbilds werden und dass das Tragen einer Uniform das negative Image verliert, das es bei vielen immer noch hat. 

Der Reservist Oberstleutnant Markus Mühlbauer (57) ist seit 2006 Teil des Verbindungskommandos der Bundeswehr für die Stadt Heilbronn, zunächst als Offizier, inzwischen leitet er es ehrenamtlich. In seinem Beruf ist Mühlbauer in der Logistikbranche tätig. Ein zweites Verbindungskommando gibt es für den Landkreis Heilbronn. 


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