Mahnwache in Heilbronn gegen Wehrpflicht: „Nicht mit uns, nicht für diesen Staat!“
In Heilbronn haben rund 80 Menschen an einer Mahnwache gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht teilgenommen. Redner kritisierten die Wehrdienstpläne und forderten mehr Einsatz für die Jugend statt Aufrüstung.
Am Freitag hat der Bundestag mehrheitlich das neue Wehrdienstgesetz beschlossen. Künftig gilt für Jahrgänge ab 2008 eine verpflichtende Musterung. Die letztliche Entscheidung soll aber zunächst freiwillig bleiben, sofern angestrebte Personalziele erreicht werden. Dem Heilbronner Friedensrat reicht das nicht. Er rief am Freitagnachmittag zu einer Mahnwache unter dem Titel „Nein zur Wehrpflicht“ am Bollwerksturm auf. Gut 80 Personen folgten dem Aufruf, darunter knapp die Hälfte junge Menschen, die zumindest teilweise davon betroffen sind.
Teilnehmer zeigen in Heilbronn klare Haltung zur Wehrdienstpflicht
Brigitte Klein vom Friedensrat ist Lehrerin an der Christiane-Herzog-Schule. „So wie man mit den Jugendlichen umgeht, ist völlig verkehrt“, begründet sie die Anmeldung der Mahnwache. Die würden erleben, dass sie keine Rolle in der Gesellschaft spielen, wenn Schulen in einem schlechten Zustand sind und es nicht genügend Studienplätze gibt, etwa in der Medizin, trotz Ärztemangel. „Wir erleben viele psychische Probleme, Schulabsentismus ist ein großes Thema.“ Seit Jahren werde eine katastrophale Politik betrieben, die Jugend vernachlässigt, aber jetzt sollen sie zum Wehrdienst? Stattdessen solle man lieber alles dafür zu tun, um zu deeskalieren, zu verhandeln und keine Kriegsszenarien heraufbeschwören.
In ihrer Rede betont sie, dass der Friedensrat weder Wehrpflicht noch Krieg wolle – junge Menschen bräuchten eine Zukunft. Kriegsdienst und Wehrpflicht seien keine Lösung, die Milliarden sollten lieber in die Jugend gesteckt werden.

Kritik an Politik: Junge Heilbronner fühlen sich von Staat vernachlässigt
Ein junger Mann vom Offenen Antifaschistischen Abend Heilbronn (OAA) äußert sich ähnlich. „Aufrüstung geschieht nicht für den Frieden, sondern als Vorbereitung für den Krieg“, betont er. Und dazu brauche es eben auch das Menschenmaterial. Dabei ginge es immer nur um die Interessen der Staaten, das habe nichts mit den Bedürfnissen der Menschen zu tun.
„Wir wollen alle ohne Zwänge leben und die Wehrpflicht ist ein Zwang.“ Wo sei diese Freiheit eigentlich, wenn in Heilbronn Schüler eingeschüchtert werden, behauptet er. „Nicht mit uns, nicht für diesen Staat!“
Mitglied des Heilbronner Jugendgemeinderats: „Ich will nicht für dieses Wir sterben!“
Benedikt Bihr, Mitglied des Jugendgemeinderats und der Linke, fragt sich, wer eigentlich dieses „wir“ im Satz „Wir müssen aufrüsten“ ist und ob er ein Teil davon sei. Eher nicht, begünstige der Staat doch eh nur die Besitzenden und auch den Verweis auf die Verteidigung einer westlichen Wertegesellschaft hält er nur für eine Nebelkerze. Zu oft habe sich in Krisen gezeigt, dass diese nicht existiert, wenn monetäre Interessen überwiegen. Schon heute sei die Europäische Union ihrem stärksten Gegner Russland militärisch überlegen. „Russland kommt nicht mal bis Kiew.“ Deswegen gelte für ihn: „Ich will nicht für dieses Wir sterben!“
Die Reden ernten Applaus, wenn auch keinen aufbrandenden. Zwischendurch werden Antikriegslieder angestimmt. Der Friedensrat hat ein paar Aufsteller mit Forderungen wie „Nein zur Wehrpflicht“ oder „Nein zu allen Zwangsdiensten“ geschrieben. Die Teilnehmer halten sich sonst mit Plakaten oder Bannern eher zurück. Brigitte Klein freut sich, dass einige ihrer Schüler gekommen sind. „Der Umgang mit der Jugend ist eine Katastrophe“, betont sie noch einmal.
Stimme.de
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