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Heilbronner Kreuzkirche am Wertwiesenpark wird verkauft

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Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Heilbronn übergibt ein markantes Gotteshaus oberhalb des Wertwiesenparks an eine Freikirche. Hintergrund ist hauptsächlich der Mitgliederschwund.

Der Turm der Kreuzkirche am Hohrain oberhalb des Wertwiesenparks steht für ein Kapitel Süd-Stadtentwicklung in den Aufbaujahren nach 1945. Ende des Jahres übernimmt die freikirchliche Evangeliumsgemeinde das Gebäude.
Foto: Kilian Krauth
Der Turm der Kreuzkirche am Hohrain oberhalb des Wertwiesenparks steht für ein Kapitel Süd-Stadtentwicklung in den Aufbaujahren nach 1945. Ende des Jahres übernimmt die freikirchliche Evangeliumsgemeinde das Gebäude. Foto: Kilian Krauth  Foto: Krauth, Kilian

Gerade älteren Gemeindegliedern blutet das Herz. Das geben die Entscheidungsträger ganz offen zu. Selbst Kirchengemeinderäte hätten sich bei den Beschlüssen beinahe Tränen aus den Augen wischen müssen, berichten die beiden Pfarrerinnen Esther Sauer und Gunhild Riemenschneider.

"Mit großer Klarheit" jedoch hätten am Ende sowohl die gewählten Vertreter der Emmausgemeinde, als auch der evangelische Gesamtkirchengemeinderat Heilbronn beschlossen, die Kreuzkirche zu verkaufen.

Am Hohrain oberhalb des Wertwiesenparks gelegen, markiert der schlanke Kirchturm mit seinem goldenen Kreuz ein Kapitel Nachkriegsgeschichte. Das von Architekt Rolf Krauter geplante Ensemble mit Gotteshaus, Gemeinderäumen, Wohnungen, Kindergarten und teils von der Jugend genutzter Tiefgarage war 1962/63 im Zuge der nach dem Zweiten Weltkrieg rasanten Neubesiedlung der Südstadt gebaut worden.

350 Besucher haben Platz

Gleichzeitig gehört der von Künstler Peter Jakob Schober (Beilstein) mit Sichtbeton und farbigen Glasfenstern gestaltete Kirchenraum zu den schönsten modernen Sakralsälen der Region. 350 Besucher haben hier Platz, derzeit aber nur 37, wegen Corona. Durch die herausragende Akustik spielte das Württembergerische Kammerorchester hier sogar Schallplatten ein, weiß Pressepfarrer Matthias Treiber, wobei Gastkonzerte zuletzt weniger geworden seien.

Zwischenzeitlich testeten auch Chöre der Kilianskirche wegen des möglichen Verkaufs des Hans-Rießer-Hauses die Kreuzkirche als festen Probenort, rückten davon aber wieder ab.

Mitgliederschwund: Halbierung bis 2050

Der von Peter Jakob Schober mit Sichtbeton und farbigen Glasfenstern gestaltete Kirchenraum zählt zu den schönsten modernen Sakralsälen der Region. Hier fanden auch viele Konzerte statt: von Posaunenchören bis hin zum WKO.
Foto: Archiv/Dirks
Der von Peter Jakob Schober mit Sichtbeton und farbigen Glasfenstern gestaltete Kirchenraum zählt zu den schönsten modernen Sakralsälen der Region. Hier fanden auch viele Konzerte statt: von Posaunenchören bis hin zum WKO. Foto: Archiv/Dirks  Foto: Dirks

Hintergrund zu ersten "Umnutzungsgedanken" bildet der allgemeine Mitgliederschwund von jährlich rund 2,5 Prozent. Laut einer Freiburger Studie sei bundesweit bis 2060 mit einer Halbierung zu rechen, in Heilbronn wohl schon 2050, erklären Dekan Christoph Baisch und Gesamtkirchengemeinderats-Vorsitzender Dr. Michael Kannenberg. Vor diesem Szenario ist die Zahl der Teilgemeinden östlich des Neckars durch Fusionen in den letzten 25 Jahren von zehn auf sieben gesunken. "Da geht es nicht darum, die Kirche zurückzubauen, sondern die Ressourcen zu bündeln, sich zu profilieren und neu zu motivieren", betont Baisch.

Wegen der vielbeschworenen "Synergieeffekte" haben sich die Kreuz-Gemeinde und die Martin-Luther-Gemeinde schon 2002 zur Emmaus-Gemeinde zusammengeschlossen. Damit hat man nun aber alles "doppelt". Von 2017 an habe man sich in einem langen Meinungsfindungsprozess, so heißt es, entschieden, das Gemeindeleben perspektivisch auf die zentraler gelegene Luther-Kirche an der Beethovenstraße zu konzentrieren. Für das Ensemble aus 1934 stehen noch Neu- und Umbauten auf dem Wunschzettel. Geld wäre nun ja da.

Freikirche suchte neues Gotteshaus

Anlass zum Verkauf der Kreuzkirche gab letztlich 2019 eine Anfrage der freikirchlichen Evangeliumsgemeinde, zu der überwiegend Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion gehören. Der florierenden Gemeinde mit Mitgliedern aus dem Umland wurde ihr bisheriges Domizil - das ehemalige Augemeindehaus neben der Moschee im Industriegebiet - zu eng. Über den Verkaufspreis habe man laut Kirchenpfleger Rolf Krieg "Stillschweigen vereinbart". Zu der Immobilie gehören ein 18,84 Ar großes Grundstück, Kirche, Gemeinderäume, Kita und zwei kleine Wohnungen. "Wichtig ist uns, dass die Nutzung als Kirche beibehalten wird", betont Krieg.

Was wird aus Orgel und Glocken?

Die Übergabe sei für November 2020 geplant, also zum Ende des Kirchenjahres, wobei die Kita bis Mitte 2021 genutzt werden könne. Zuvor wolle man noch Details aushandeln und den Gemeindegliedern "Zeit zum Abschiednehmen geben", wie Baisch betont. "Da hängt natürlich Herzblut dran." Neben einzelnen liturgischen Gegenständen, die als Andenken zu "Luther" mitgenommen werden könnten, steht fest, dass die Orgel und die sechs Glocken - sie bilden nach der Kilianskirche das größte Geläut der Stadt - in Besitz der Gesamtkirchengemeinde bleiben. Sie werden abgenommen. Was aus ihnen wird, sei noch offen.


Kirchliche Immobilen im Wandel

Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde besitzt gut 70 Immobilien, darunter Kirchen, Wohnhäuser Büros, Kitas, Gemeinde- und Pfarrhäuser. Der Bestand wird „laufend den Anforderungen angepasst“, erklärt Kirchenpfleger Rolf Krieg.

Vor 25 Jahren wurde das Au-Gemeindehaus und -Pfarrhaus an die Freikirche verkauft, die jetzt die Kreuzkirche übernimmt. Gleichzeitig ging die Aukirche an die griechisch-orthodoxe Gemeinde, die Kita wurde zurückgemietet. Mit dem Verkauf von Gemeindehaus und Kita Olgastraße an die Kaufland-Stiftung, die dort eine Kita baute, wurde das neue Kilianshaus finanziert. Das Nikolai-Gemeindehaus an der Dammstraße ist heute in Besitz einer Freikirche. Die Kita ist jetzt Untermieter, die mit „Wartberg“ fusionierte Gemeinde hat noch zwei Gemeindehäuser. Das zur Friedensgemeinde gehörende Johannesgemeindehaus wurde der dortigen Kita zugeschlagen. Ein benachbartes 15-Ar-Grundstück, das für einen Kirchenbau reserviert war, wurde zu Bauland.

Ähnlich ist man an der Karl-Wulle-Straße verfahren, einst für kirchliche Zwecke ausgewiesene 25 Ar wurden mit Wohnhäusern bebaut. Auch an der Moltkestraße und der Hansjakobstraße hat man zwei Gebäude verkauft. Andere ehemalige Pfarrhäuser hat die Kirche vermietet. Dasselbe gilt für die lange als „Haus der Familie“ genutzten Räumlichkeiten an der Innsbrucker Straße. Auch das „Kreuzle“ in Neuhütten ist nicht mehr in Besitz der Kirche, wird aber privat als Freizeitheim weiterbetrieben. Was aus dem sanierungsbedürftigen Hans-Rießer-Haus wird, ist noch nicht bekannt. 

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Kommentare

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am 17.06.2020 01:17 Uhr

Wieso erfahren eigentlich Mitglieder der Gemeinde und engagierte Ehrenamtliche vom Verkauf ihrer Kirche aus der Zeitung?

Haben wir uns so das gemeinschaftfliche und demokratische Selbstverständnis von Verantwortlichen in der Evangelischen Kirche in Heilbronn vorzustellen? - Einmal wählen (Haupt- und Ehrenamtliche), und anschließend geht uns als Gemeindemitglieder das, was hinter den verschlossenen Türen (in diesem Fall seit Jahren) abläuft nichts mehr an?
Denken insbesondere die Hauptamtlichen, die solche Prozesse in meinen Augen in besonderer Weise mitverantworten, dass für uns die Dinge sowieso zu kompliziert sind, und sie wissen sowieso am besten was richtig und gut für uns ist? Glauben sie, dass das Vertrauen in sie bei solchen Vorgehensweisen unberührt bleibt?

Bei welchen Entscheidungen würde man denn die teilweise über jahrzehnte Engangierten Gemeindemitglieder überhaupt anhören, und an der Lösungssuche beteiligen, wenn man das nicht mal beim Verkauf ihrer Kirche für nötig erachtet?

Wieso interessiert sich darüber hinaus offensichtlich niemand für das Heimatgefühl, das auch für "nicht-regelmäßig-in-den-Gottesdienst-Gehende" im Wohnviertel und andere Menschen die ein Heimatgefühl mit dieser Kirche verbindet? Hätte denn jemand, dem das etwas bedeutet, nicht Formen der Kommunikation und einen gemeinsamen Weg im Umgang mit der Situation gesucht?

Glaubt man so einen gelingenden Prozess einer Kirche, innerhalb eines Gemeinwesens zu gestalten? Wieso spricht diese Kirche nicht mit den Menschen die im Umfeld der Kirche leben, gerne zu Festen kommen, ihre Kinder in den Kindergarten bringen, an Weihnachten eine Kerze in der Kirche anzünden, am Fenster dem Glockengeläut in die Stille des Abends hinaus lauschen, oder einfach mal in einem Stillen Moment hinüberschielen...? Vielleicht hätten sie alle ja auch nicht "die Lösung", aber würden sie nicht anders über uns denken und mit uns leben?

Und ganz nebenbei: Wieso verkauft man eigentlich die Kirche an eine Gemeinde, die in geistlichen und theologischen Fragen so weit vom Evangelischen Verständnis entfernt ist, dass man deren Prediger nach meiner Kenntnis sonst in keiner Evangelischen Kirche einen Gottesdienst halten ließe?

Gibt es außer Angst vor Beteiligung, einem offenen, ehrlichen und gemeinsamen Diskurs, und dem Ziel, jetzt wo man einen Interessenten hat, möglichst rasch und widerstandsfrei zum Ergebenis zu kommen eine Erklärung für dieses ganze Vorgehen bzw. Nichtvorgehen über Jahre?

Wer glaubt eigentlich, dass die Menschen, für deren Meinung man sich nicht interessiert, und ihnen bei der Mitwirkung an zentralen Fragen und wichtigen Neuausrichtungen scheinbar nichts zutraut, sich mit dieser Kirche/ Kirchengemeinde identifizieren, in und mit ihr etwas gestalten wollen? Stellen wir uns so den Aufbruch einer Gemeinde vor?
Wundert sich irgendjemand, wenn sich die Menschen von so einer Kirche/Kirchengemeinde abwenden?

Menschen, Bürger, Gemeindemitglieder an dem Beteiligen was sie betrifft... - das ist auch Gemeinschaft und Freiheit!
Singen sollen wir gerade zumindest im Gottesdienst nicht, aber ein Lied fällt mir ein:"Die Verträge sind gemacht... Freiheit, Freheit ... wurde wieder abbestellt."... (M. Müller-Westernhagen)

Und dann träume ich kurz: Irgendjemand hört zu, hält inne, denkt nochmals neu, stellt in Frage, und vielleicht unterschreibt irgendjemand das letzte entscheidende Papier auch nicht.
Und dann reden wir miteinander, erklären, hören zu, machen Vorschläge, wägen ab und dann, erst dann, wird entschieden, und wir gehen so gemeinsam einen Weg als Kirche und Gemeinde, zusammen mit all den Menschen, mit denen wir hier zusammenleben.

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Thomas Bachmayer am 01.06.2020 12:31 Uhr

.........es ist unglaublich, was Gläubige alles glauben müssen.

ELEKTRISIERENDE PFINGSTTAGE*~

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