Stadtbibliothek kennzeichnet rassistische Kinderbücher
Ein Aufkleber mit Warnhinweis soll Lesende sensibilisieren, auch in Klassikern wie Jim Knopf oder Pippi Langstrumpf. Das- Buch "Tim im Kongo" wurde aus dem Bestand entfernt. "Wir waren zum Teil schockiert", sagt eine Mitarbeiterin über einige Inhalte.

"Rassismus in Kinderbüchern ist weit verbreitet." Denise Farag, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Heilbronn, spricht klare Worte. "Wir waren zum Teil schockiert, dass dies auch Kinderbuch-Klassiker betrifft." Die Bibliothek hat mit Warnhinweisen und alternativen Angeboten reagiert, hat ein Online-Seminar zum Thema veranstaltet. Über 40 Interessierte klickten sich rein und erfuhren Überraschendes.
Bedenkliche Passagen wie Aussage über überflüssiges Waschen
Farag liest aus Michael Endes beliebtem Buch "Jim Knopf und der Lokomotivführer" vor. An einer Stelle ist davon die Rede, dass Jim "waschen überflüssig fand, weil er ohnehin schwarz war". In Pippi Langstrumpfs Reise ins Taka-Tuka-Land werden einheimische, schwarze Kinder primitiv mit Baströckchen und einer Kette aus Zähnen dargestellt. Pippis Vater, ein Weißer, wird der König - und es ist von einer Prinzessin mit dem abwertenden N-Wort die Rede. Beim Kinderbuch "Tim im Kongo" wird Tim von drei schwarzen Jungen mit wulstigen Lippen und großen Augen in einer Sänfte getragen, an einer Stelle sagt ein Farbiger untertänigst "Gut, Massa", die Anrede für Herr aus längst überwunden geglaubten Sklavenzeiten.
Kindheitspädagogin Katja Pfeiffer hat in einem Praxissemester bei der Stadtbibliothek Kinderbücher im Bestand untersucht. Ihre Erkenntnis: Afrikaner werden oft als Wilde oder Menschenfresser dargestellt, die eine unterwürfige Rolle einnehmen; sie treten in primitiver Kleidung auf, oft barfuß, reden in reduzierter Sprache mit falscher Grammatik - und werden oft mit kriminellem oder hinterlistigem Verhalten dargestellt. Im Buch "Der weiße und der schwarze Bär" hat die Illustratorin einem Kind mit Angst vor Dunkelheit eine Puppe mit schwarzem, ausdruckslosem Gesicht, großen Lippen und großen Augen zur Seite gestellt. "Eine sehr fragwürdige Wahl" findet Denise Farag.
Heute würde sie "es nicht mehr so machen", antwortete eine Illustratorin
Sie schrieb die Illustratorin an, bekam von ihr eine Antwort. Heute würde sie es "nicht mehr so machen", damals sei es ihr "nicht bewusst gewesen". Tun könne sie nun nichts mehr, das Buch werde nicht mehr aufgelegt. Für Katja Pfeiffer ist es ein typisches Beispiel für latent vorhandenen Rassismus. "Es war bei ihr unterbewusst. Aber es ist da."
Die Frage ist: Was tun? Die Stadtbibliothek will auf mehreren Ebenen wirken. Denn: "Literatur hat große Bedeutung, wenn es um die Entwicklung von Rollenbildern bei Kindern geht", betont Farag. Die Mitarbeiter haben in entsprechende Bücher auf den vorderen Seiten Warnhinweise geklebt, die das Problem ansprechen. Mit einem QR-Code erhält man allgemeine Hinweise zu Rassismus, die Homepage der Bibliothek bietet weitere Informationen. Man wolle zudem gezielt Alternativen im Regal platzieren, Kinderbücher, die keine rassistischen Passagen enthalten, in denen auch schwarze, indianische Figuren oder Behinderte selbstbewusst auftreten und Probleme lösen. Der Bestand soll aufgestockt werden. Bücher wie "Amari" oder "King kommt noch" nennt Farag als Beispiele. Das gesamte Team der Kinderbibliothek nahm an Weiterbildungen zu dem Thema teil. Und: Unter dem Schlagwort "Diversität" und "Kinderbücher" kommt man bei der Suche im System leicht auf eine Auswahl.
Vor dem Entfernen eines Werkes wird Gesamtheit der Inhalte abgewägt
Das Buch "Tim im Kongo" hat die Stadtbibliothek aus dem Bestand genommen. Warum sie nicht alle Bücher mit rassistischen Aussagen, also auch Klassiker wie Pippi im Taka-Tuka-Land oder Jim Knopf, aussortiert hat? Denise Farag verweist auf einen Abwägungsprozess. Diese Bücher enthielten auch "andere Erzählstränge, die sehr wertvoll sind". Das Buch "Tim im Kongo" beruhe aber nur auf kolonialistisch-rassistischen Inhalten. "Da fehlen einem die Worte."