Haustierboom in der Pandemie spitzt sich zu
Vor allem seit dem zweitem Lockdown ist die Nachfrage nach Haustieren extrem hoch. Die Tierheime der Region müssen den Wunsch vieler Interessenten nach einem haarigen Freund ablehnen. Illegaler Welpenhandel steigt indes deutlich an.

Lunas Küsse mit der Schnauze und ihre Gemütlichkeit haben überzeugt: Im Januar wurde die Hündin, zuvor Angela genannt, im Tierheim Heilbronn Familie Eisinger-Rother vorgestellt. Für einen Tag durften die Hundeinteressenten aus Obersulm-Affaltrach Luna zum Kennenlernen mit nach Hause nehmen. "Sie hat gleich auf dem Wohnzimmerteppich ihren Lieblingsplatz gefunden, wo sie seither schläft", erzählt Julia Eisinger. Am nächsten Tag durfte der Vierbeiner aus einem ungarischen für sechs Wochen zur Familie, "um zu schauen, ob alle miteinander klarkommen", erzählt die dreifache Mutter. Sie kamen sehr gut klar.
Haustierboom spüren Tierheime massiv
Die Corona-Zeit hat einen regelrechten Haustierboom entfacht. Seit Anfang der Pandemie erreicht die Tierheime Heilbronn und Waldenburg eine laut den Verantwortlichen "extrem hohe Nachfrage nach Haustieren". Vor allem der zweite Lockdown habe den oft dringlichen Wunsch vieler Menschen nach einem Haustier verstärkt, berichtet Anja Fischer. Laut der stellvertretenden Vorsitzenden des Heilbronner Tierschutzvereins kommen mehr als doppelt so viele Anfragen wie vor der Pandemie täglich im Tierheim an.
Uschi Rösch, Leiterin des Tierheims Hohenlohe, sagt: "Manchen ist sogar egal, welches Tier sie bekommen, Hund, Katze, zur Not ein Kaninchen." Diese Leute haben bei den strengen Kriterien der Tierheime keine Chance. Für Familie Eisinger-Rother war der Lockdown zwar nicht ausschlaggebend für die Adoption von Luna, aber die Zeit begünstigte die Anschaffung: "Die Kinder sind jetzt viel zu Hause, da kann sich Luna gut einleben", erzählt die 36-Jährige. Vor allem aber wich die Trauerphase nach dem Tod ihres Jack Russel Terriers, den die Familie 16 Jahre hatte, nach zwei Jahren immer mehr dem Wunsch nach einen neuen Hund.
"Wir können nicht allen Anfragen nachkommen"

Dass immer mehr Menschen ein Haustier wollen, hat Sonnen- und Schattenseiten, wie die Heimverantwortlichen berichten: Einerseits finden viele Tiere liebevolle, vernünftige Adoptanten wie die Familie von Julia Eisinger. Andererseits "kommen massiv Anfragen von Leuten, die keine Idee haben, wie sie das Tier richtig halten sollen, wie sie nach der Homeoffice-Phase genug Zeit für das Tier finden oder es finanzieren können", berichtet Anja Fischer.
Der Deutsche Tierschutzbund (DTB) und seine angeschlossenen Tierheime fürchten eine Abgabewelle von Haustieren in Folge des Corona-bedingten Haustierbooms. Wie Ende März bekannt wurde, lebten 2020 fast eine Million Haustiere mehr in deutschen Haushalten als im Vorjahr. Die Tierschützer, so meldet es der DTB, gehen davon aus, dass darunter viele Tiere sind, die als „Pandemie-Projekt“ unüberlegt und leichtfertig im Internet, im Zoofachhandel oder beim Züchter angeschafft wurden.
So bekommt das Heilbronner Tierheim für einen Welpen - jüngste Tiere sind stets am beliebtesten - etwa sechs Anfragen, von denen das Team fünf ablehnen muss. Das Heim sei in der Pflicht, genau zu prüfen, ob eine Vermittlung verantwortbar, ob eine tiergerechte Betreuung gewährleistet ist. "Wir können nicht allen Anfragen nachkommen", sagt Fischer. So werden Hunde etwa nur vermittelt, wenn die Halter die Möglichkeit haben, nach spätestens vier bis fünf Stunden mit dem Hund Gassi zu gehen.
Viel Zeit nötig für das Leben mit einem Hund

Mit einem Hund zusammenzuleben, ist zeitaufwendig: "Seit wir Luna haben, war sie nie allein", sagt Julia Eisinger, und die Hündin werde es auch nicht nach der Corona-Zeit sein. Denn die Obersulmerin arbeitet nachts als Altenpflegerin und hat tagsüber Zeit für Luna. Morgens läuft die jüngste Tochter eine halbe Stunde mit der Hündin draußen, mittags geht die Mutter, oft zusammen mit den drei Kindern, zwei Stunden Gassi, abends kommt der Mischling etwa 15 Minuten an die frische Luft.
Doch nicht alle Menschen können genug Zeit und Geld für ein Haustier aufbringen. Zwangsläufig muss das Tierheim Interessenten enttäuschen. So bekommt etwa der Tierschutzverein Maoland in Obersulm, der derzeit elf Straßenhunde in Pflegefamilien aufnimmt und sie an ein liebevolles Zuhause vermittelt, bis zu vier Anfragen täglich. "Es heißt oft von Interessenten", erzählt Vorstandsmitglied Viktoria Neumann: "Das Tierheim gibt uns keinen Hund, wir hätten aber dringend gerne einen." Auch das Maoland-Team lehnt solche Wünsche ab.
Vorsicht beim Online-Markt mit Angeboten von unseriösen Züchtern
"Wir fürchten, dass einige auf Online-Plattformen ausweichen", sagt Anja Fischer. "Der Wunsch, sich ein Tier anzuschaffen, ist durch die Krise immens gewachsen - gefühlt jeder möchte plötzlich einen Hund haben", stellt auch Daniel D"Amico, Geschäftsführer von Deine Tierwelt, fest. Die Online-Tiervermittlungsplattform hat etwa ermittelt, dass der Preis für einen Welpen der teuersten Rasse, der Französischen Bulldogge, von 3000 Euro im Januar 2020 auf 5500 Euro im Januar 2021 gestiegen ist.
Im Internet werden Tiere nicht nur von seriösen Züchtern, sondern auch aus illegalem Handel angeboten, ohne dass es Menschen beim Kauf merken.
Doppelt so viele Fälle an illegalem Haustierhandel seit der Pandemie

Der verbotene Welpen- und Kittenhandel steigt seit der Pandemie weiter: So registriert der Deutsche Tierschutzbund für 2020 mindestens 160 Fälle (vorläufiger Stand) an bekannt gewordenem illegalem Haustierhandel. Davon waren rund 1200 Tiere betroffen, über 1000 Hunde und 140 Katzen. Das sind mehr als doppelt so viele illegal gehaltene und geschmuggelte Tiere wie 2019. Zum Vergleich: Innerhalb der sechs Jahre zuvor lag die Zahl der ermittelten Fälle zwischen 36 und 84. Die Dunkelziffer sei natürlich ungleich höher, sagt Lea Schmitz vom DTB.
Welpenhandel mit nichtgeimpften, schwerkranken Tieren
Vor allem in Osteuropa würden Hunde unter grausamen Bedingungen in Massenzuchtanlagen und Hinterhöfen vermehrt. Händler verkauften die oft schwerkranken und nicht geimpften Welpen über Onlineportale, heißt es vom Tierschutzbund, und müssten, wenn sie entdeckt werden, mühevoll und mit viel Liebe von Tierheimen aufgepäppelt werden.
Wie lassen sich unseriöse Anbieter erkennen? "Hellhörig sollten Käufer werden, wenn eine Person viele Tiere, unterschiedliche Rassen und an verschiedenen Standorten anbietet", sagt Anja Fischer. Vergleichsweise niedrige Preise seien ebenfalls verdächtig. "Bei Züchtern, die das Muttertier nicht zeigen können oder kein Interesse daran haben, wie das neue Zuhause aussieht, sollten die Alarmglocken losgehen."