Die Rettung des Blauen Turms im Überblick
Bad Wimpfen Bad Wimpfen ohne den Blauen Turm? Unvorstellbar. Deshalb beschloss die Stadt Ende 2016, ihr Wahrzeichen zu sanieren. Seit dem Start des Mammutprojekts ist viel passiert. Ein Überblick über das, was bisher geschah.
Von Kirsi-Fee Rexin und Lisa Reiff
Ende 2016
Der Turm soll sich wieder selbst tragen
Der Zahn der Zeit nagt an dem einstigen Staufer-Wehrturm: Eine viel zu schwere Turmhaube drückt auf das bröckelige Fundament, tiefe Risse ziehen sich durchs Mauerwerk. Bislang hat ein Korsett aus Stahl alles notdürftig zusammengehalten. Um das Wahrzeichen zu erhalten, kommt die Stadt nicht um eine teure Sanierung herum. Also wird der Turm in sich stabilisiert, indem Risse im Gestein aufgefüllt werden. Kosten der Sanierung: 6,2 Millionen Euro.
Januar 2017
Bad Wimpfen sammelt "Schotter"

Einen Großteil der Kosten decken Gelder aus Förderprogrammen ab. Rund eine Million muss die Stadt aus eigener Tasche bezahlen. Darum veranstaltet die Verwaltung Spendenaktionen unter dem Motto „Schotter für den Blauen Turm“. Nicht nur Bad Wimpfen selbst unterstützt sein Wahrzeichen mit Spenden: Auch Lidl, Solvay, die Sparkassenstiftung und das SRH Gesundheitszentrum engagieren sich. Pro Spende ab 10.000 Euro bekommen die Förderer ein Gemälde von Maler Hans Scheuerlen. Der Gesamtspendenstand beträgt momentan 1,2 Millionen Euro.
Oktober 2017
Türmerin bekommt besonderen Besuch

Im Jahr 2017 fällt der Startschuss für das Mammutprojekt. In einem ersten Schritt wird der Blaue Turm eingerüstet. Im Oktober 2017 grüßt Türmerin Blanca Knodel deshalb täglich Gerüstbauer, wenn sie in ihrem Aufzug aus Metall an ihrem Turmfenster vorbeifahren - bis zur Turmhaube in rund 30 Metern Höhe. Und bevor Deutschlands einzige Türmerin überhaupt ausgezogen ist, kündigt Knodel bereits an: "Nach der Sanierung ziehe ich wieder hoch.“ Auszugstermin für Blanca Knodel ist November 2018.
März 2018
Bohren bis zur Schmerzgrenze

Bis zum Ende der Turmsanierung müssen 12.700 Löcher gebohrt werden. Ob den Anwohnern Lärm von bis zu drei Bohrern zugemutet werden kann, wird bei einer Lärmmessung Anfang März 2018 getestet. Das Ergebnis der Messung: Drei Bohrer gleichzeitig können die Anwohner ertragen.
Als die Temperatur konstant zehn Grad beträgt, wird der Mörtel über zahlreiche frisch gebohrte Löcher und darin verankerten Eisenstangen eingebracht.
Mai 2018
Stein für Stein wird das Mauerwerk erneuert

Vom Turmaufsatz beginnend, arbeiten sich Steinmetze herunter und nehmen das Mauerwerk genau unter die Lupe. Sie arbeiten Fugen aus und entfernen stark beschädigte Steine. Diese werden durch Sand- und Muschelkalksteine von Steinbrüchen aus der Region ersetzt. Kleine Holzstücke verhindern, dass durch die entstandenen Hohlräume das Mauerwerk drum herum zusammenfällt.
Mai 2018
Das Mauerwerk ist klatschnass

Im Mauerwerk steckt Feuchtigkeit. Durch undichte Regen- und Abwasserleitungen konnte seit den achtziger Jahren stetig Wasser ins Innere des Turms gelangen. Nach Angaben der Experten ist das Mauerwerk inzwischen "klatschnass". Damit der Blaue Turm mittelfristig wieder trocken wird, sanieren Bauarbeiter die Rohre.
November 2018
Vogelkot frisst sich ins Gemäuer

Der Blaue Turm ist auch bei Turmfalken, Krähen und Tauben beliebt. Die setzen sich auf den Zinnenkranz in 32 Metern Höhe und machen ihre Häufchen. Im Vogelkot sind Nitrate enthalten, die sich ins Gemäuer des Blauen Turms fressen. Mit speziellen Kompressen wird das Salz wieder aus den Steinen gezogen.
November 2018
Holztreppe gewaschen und gestrichen

Die historische Holztreppe mit ihren 134 Stufen ist wesentlicher Teil des Kulturdenkmals. Damit sie nicht von anderen Arbeiten in Mitleidenschaft gezogen wird und erhalten werden kann, wird sie ausgebaut und in Stuttgart restauriert - heißt, sie wird mit Kernseife gewaschen und neu gestrichen. Auf einen feuerhemmenden Funktionsanstrich wird verzichtet, weil das Holz unbehandelt länger hält.
November 2018
Lücken im Mauerwerk wieder füllen

Steinmetze passen restaurierte Steine und neue Sandsteine aus Steinbrüchen der Region in die Hohlstellen ein. Monate zuvor hatten sie an diesen Stellen stark beschädigtes Gestein aus dem Mauerwerk herausgelöst. In Form gebracht werden die Quader mit Drucklufthammer und Meißel, später mit Steinkleber und Kalkmörtel verfugt.
April 2019
Der Turm hat seine Silhouette zurück

Das Wahrzeichen Bad Wimpfens hat seine charakteristische Silhouette mit den Spitzentürmchen wieder. Die Arbeiten am Turmhelm sind abgeschlossen, das Gerüst ist vom oberen Drittel des steinernen Riesen entfernt. Damit ist die Form des Blauen Turms nicht länger verdeckt.
April 2019
Damit der Turm kein drittes Mal brennt

Sowohl 1850 als auch 1985 geriet der Turm durch einen Blitzeinschlag in Brand. Der Dachstuhl brannte komplett aus. Um das zu verhindern, wurde der Blitzableiter erneuert und ein Brandschutzkonzept erarbeitet.
September 2019
Was die Turmmauern zusammenhält

Schon 1971 wurden sogenannte Ankerstangen in den Blauen Turm eingemauert. Mit massiven Stahlplatten verschraubt, sollen sie das Mauerwerk festigen. Auch bei der aktuellen Sanierung werden Ankerstangen eingebracht, weil die alten zwar noch intakt sind, aber für eine sichere Tragfähigkeit des 800 Jahre alten Mauerwerks nicht ausreichen würden. Zusätzlich wird das Gestein mit Mörtel verfüllt. Doch hat das aufwendige Prozedere den gewünschten Effekt?
September 2019
Bohrkerne werden analysiert

Die Antwort kommt anhand von Bohrkernen aus dem Mauerwerk ans Licht. Der Bohrkern erinnert optisch an einen heterogenen Teig mit hellgrauen Linien, die mal dick und mal haarfein zu erkennen sind. Das ist der Grund, warum der Mörtel bei der Injektion ganz dünnflüssig sein muss: Nur so kann er in die feinsten Ritzen laufen und sie verfüllen. Anschließend wandern die Bohrkerne in nummerierte Holzkisten, damit sie von Experten geprüft werden können.
November 2019
Viel Plastik und vier Heizlüfter

Die zehn Meter hohe Plane dient dazu, die Injektion des Mörtels zur Mauerwerksicherung auch über den Winter fortzuführen. Damit der Mörtel fest wird, benötigt das Gestein eine Temperatur von zehn Grad. Dafür sorgen unter der Folie nun vier Heizlüfter. „Diese Maßnahme eröffnet zusammen mit anderen die Chance, die Bauzeit um bis zu ein Jahr auf Mitte 2021 zu verkürzen“, erklärt Bad Wimpfens Bürgermeister Claus Brechter.

Kirsi-Fee Rexin
Autorin
Kirsi-Fee Rexin begann im Jahr 2014 ein Volontariat bei der Heilbronner Stimme. Seit 2016 ist sie als Redakteurin im Ressort Landkreis hauptsächlich für Kommunen im nördlichen Landkreis zuständig.

Lisa Reiff
Onlineredakteurin
Als Onlineredakteurin kümmert sich Lisa Reiff seit 2018 darum, die Stimme-Leser auf allen digitalen Kanälen zu informieren. Am liebsten sammelt sie Leserfragen für die Serie "Noch Fragen?", weil daraus Geschichten entstehen, die die Menschen in der Region besonders interessieren.