Zum zweiten Mal geht der Kerner-Preis an eine Frau
Die Biologin und Humangenetikern Katja de Bragança wird in diesem Jahr mit dem Justinus-Kerner-Preis der Stadt Weinsberg ausgezeichnet. Die Wissenschaftlerin hat sich um Menschen mit Down-Syndrom verdient gemacht.

Wie gut, dass der berühmteste Sohn der Stadt so vielseitig bewandert war. Er war Dichter, Mediziner und Denkmalpfleger. Deshalb sind unter den Trägern des Preises, der Justinus Kerner zu Ehren verliehen wird, so unterschiedliche Menschen wie der Schriftsteller Peter Rühmkorf und Seine Königliche Hoheit Carl Herzog von Württemberg zu finden. In diesem Jahr geht der Preis an die Humangenetikerin und Biologin Dr. Katja de Bragança. Sie bekommt die Auszeichnung für ihre wissenschaftliche Arbeit über das Down-Syndrom und für ihre innovativen Projekte.
Ein Magazin von Menschen mit Down-Syndrom
"Ohrenkuss... da rein, da raus": Der Name des Bonner Magazins ist ungewöhnlich, und ungewöhnlich ist auch das Projekt selbst: "Ohrenkuss" ist nicht eine Zeitschrift über Menschen mit Down-Syndrom, sondern von Menschen mit Down-Syndrom. Dass es das gibt, ist Katja de Bragança zu verdanken. Die Biologin hat das Magazin mit ihrem Team 1998 ins Leben gerufen und dafür etliche Auszeichnungen erhalten.
Ihr Ansatz, "fachliches Wissen und praktische Erfahrung mit zeitgemäßen und verständlichen Formen des Umgangs mit Menschen mit Down-Syndrom zu paaren", habe den Ausschlag dafür geben, dass die Jury sich 2020 für die Wissenschaftlerin als Kerner-Preisträgerin entschieden hat, wie es in einer Mitteilung der Stadt Weinsberg heißt. Mit ihrem Ansatz mache de Bragança die Kreativität und die Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Mit 5000 Euro dotiert
Der Justinus-Kerner-Preis ist mit 5000 Euro dotiert und zählt nach Angaben der Stadt zu den bedeutendsten Kulturpreisen in Baden-Württemberg. Er wird nur alle drei Jahre verliehen - und zwar an Menschen, die in Verbindung mit dem Lebenswerk des Dichterarztes Justinus Kerner (1786 bis 1862) oder in seinem Sinne Herausragendes geleistet haben: entweder in der Literatur, der Medizin oder der Heimat- und Denkmalpflege. Die Stadt stiftete den Preis 1986 anlässlich des 200. Geburtstags von Justinus Kerner. Zu den Preisträgern gehören der österreichische Psychiater Dr. Leo Navratil, der Schriftsteller und Lyriker Peter Rühmkorf, der Kulturwissenschaftler Professor Dr. Hermann Bausinger oder der Filmproduzent und Regisseur Edgar Reitz. Und ab 2020 eben Katja de Bragança. Sie ist erst die zweite Frau, die ausgezeichnet wird. 1999 war die Schweizer Schriftstellerin Eveline Hasler die erste.
Katja de Bragança wurde 1959 in Neumünster in Schleswig-Holstein geboren. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Inder. Ihre Kindheit verbrachte sie im indischen Goa, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie. Sie studierte Humanbiologie in Bonn und promovierte 1991. "In ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzte sie sich schwerpunktmäßig mit der biologischen Grundlage des Down-Syndroms und der Problematik der pränatalen Diagnostik auseinander", heißt es in der Mitteilung.
Die Welt der Patienten
Worin besteht der Bezug zu Justinus Kerner? Mit ihren Projekten lasse Katja de Bragança die Menschen mit Down-Syndrom individuell zu Wort kommen. Auch Kerner habe sich mit Empathie der oft befremdlichen Welt seiner Patienten zugewandt, schreibt die Weinsberger Stadtverwaltung. "Im Geiste Kerners unterstreicht das Wirken von Katja de Bragança die Bedeutung von Kunst und Poesie für die alltägliche Praxis."
Der Preis wird am 18. September um 19.30 Uhr in der Hildthalle verliehen. Laudator ist der Arzt und Genetiker Professor Dr. Markus Nöthen. Nöthen ist Mitglied der Gelehrtengesellschaft Leopoldina.
Wer ist das Preisgericht?
Am Ende fällt die Jury eine einstimme Entscheidung, wer den Justinus-Kerner-Preis verliehen bekommt. Aber dies hat gute Tradition: "Man lässt sich Zeit und diskutiert breit", sagt Weinsbergs Hauptamtsleiter Thomas Siegle. In der Regel stehen vier, fünf Namen im Raum. "Man geht offen an die Sache ran." Man - das ist das Preisgericht.
Es setzt sich zusammen aus Weinsbergs Bürgermeister Stefan Thoma, dem aktuellen Preisträger, das ist Seine Königliche Hoheit Carl Herzog von Württemberg, außerdem Medizinhistoriker Professor Dr. Dr. Heinz Schott, Dr. Albrecht Ernst vom Württembergischen Geschichts- und Altertumsverein Stuttgart, Dr. Thomas Schmidt vom Schiller-Nationalmuseum und Deutschen Literaturarchiv in Marbach, Schriftsteller Ulrich Maier sowie Matthias Klatte, Vorsitzender des Justinus-Kerner-Vereins und Frauenvereins Weinsberg. Der Preis wurde 1986 von der Stadt gestiftet und 1990 zum ersten Mal verliehen. Die Auszeichnung gibt es nur alle drei Jahre.