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Neckarsulmer Nahverkehr ist gut, aber nicht gut genug

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Der öffentliche Personennahverkehr in Neckarsulm ist verhältnismäßig gut aufgestellt, stößt aber an seine Grenzen. Nach einer Analyse empfehlen Verkehrsexperten einige Maßnahmen und denken über die digitale Mobilität der Zukunft nach.

Von Steffan Maurhoff
Zentraler Punkt für den öffentlichen Personennahverkehr in Neckarsulm: der Zentrale Omnibusbahnhof bei der Ballei. Hier kreuzen sich die Linien, aber dafür müssen teils Umwege in Kauf genommen werden, die die Fahrzeiten verlängern. Foto: Ralf Seidel
Zentraler Punkt für den öffentlichen Personennahverkehr in Neckarsulm: der Zentrale Omnibusbahnhof bei der Ballei. Hier kreuzen sich die Linien, aber dafür müssen teils Umwege in Kauf genommen werden, die die Fahrzeiten verlängern. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Bahn, Stadtbahn, Regionalbus und der Stadtbus - das derzeitige Angebot an öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) in Neckarsulm ist gut, aber nicht gut genug für die Zukunft. So lässt sich die Analyse zusammenfassen, die die Nahverkehrsberatung Südwest im Rahmen des Multimodalen Mobilitätskonzepts für die Stadt erstellt hat.

Im Gemeinderat wagten die Verkehrsberater Gedankenspiele, die aus heutiger Sicht kühn sind - und ernteten viel Zustimmung.

Möglichkeiten sind derzeit ausgereizt

Es ist besser geworden. Schon von 2006 bis 2009 hat die Stadt den ÖPNV untersucht und danach mit einem Stadt- und Regionalbuskonzept reagiert. Immerhin, den Stadtbus nutzen heute im Schnitt über 14000 Fahrgäste wöchentlich - 2010 waren es noch weniger als 8000. Doch die Entwicklung stößt an ihre Grenzen. "Der ÖPNV hat seine Möglichkeiten weitgehend ausgereizt", befand Dietmar Meier von der Nahverkehrsberatung Südwest.

Pendler drängen in die Stadt

Die Lage auf den Straßen in und um Neckarsulm ist bekannt: Oft gibt es Staus, das Straßennetz ist stark ausgelastet, zeitweise überlastet. Was den ÖPNV angeht, so sehen die Experten unerschlossene Potenziale. Aktuellen Daten zufolge pendeln knapp 42 000 Personen von und nach Neckarsulm, drei Viertel davon in die Stadt hinein - Audi und die Schwarz-Gruppe sind wesentliche Gründe. Die Einpendler kommen aus der gesamten Region. Aus 52 Städten und Gemeinden pendeln mehr als jeweils 100 Personen nach Neckarsulm.

Schwächen des Nahverkehrs

Berufstätige haben die Wahl, den ÖPNV zu nutzen. Doch der hat Schwächen, weshalb er im Berufsverkehr nur eine untergeordnete Rolle spielt. Zwar gibt es den Zentralen Omnibusbahnhof bei der Ballei, der praktisch ständig angefahren wird. Der Rendezvouspunkt bedeutet jedoch für manche Linien einem Umweg, wodurch Fahrten unattraktiv lang werden. Zudem, so eine Erkenntnis aus der Analyse, sind die Gewerbegebiete Trendpark und Süd aus den meisten Richtungen nur durch Umsteigen erreichbar - was die wenigsten wollen. Und im Staufall muss auch der ÖPNV passen.

Die Nahverkehrsberatung empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen in Neckarsulm:

  • Bessere Verbindungen: weitere Direktlinien nach Neckarsulm

  • Berufsverkehr: weitere Schnellverbindungen im Berufsverkehr direkt in die Gewerbegebiete. Gegebenenfalls auch Express-Stadtbahnverbindungen aus dem Leintal oder von der Hohenlohebahn

  • In die Nachbarstadt: bessere Verbindungen nach Heilbronn

  • Attraktivere Tarife: Ein Punkt, der bei einer Umfrage unter Fahrgästen am meisten kritisiert wurde - außer der Pünktlichkeit.

Allerdings, so schränken die Fachleute ein, bleibe die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen beschränkt, "solange Firmenfahrzeuge als wichtiges Motivationselement der Arbeitgeber für eine Vielzahl ihrer Mitarbeiter genutzt werden und die Beschäftigten unbegrenzt kostenlose Parkplätze in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsplatzes zur Verfügung haben", heißt es in der Analyse.

Die Zukunft ist digital

Meier zog weitreichende Schlüsse. "Wir sollten den ÖPNV weiter denken", forderte er. "Die Mobilität der Zukunft ist autonom." Meier zeigte einen Film über ein App-basiertes Carsharing-Angebot in Großstädten und forderte: "Wir müssen über eine digitale Mobilität sprechen." Die derzeitige Stadtbusversorgung sei eine gute Basis, aber man dürfe nicht nur über feste Linien, sondern müsse auch über differenzierte Bedienungsformen diskutieren. Meier sprach von on-demand-Verkehren, also von ÖPNV auf Abruf: Anforderung per Smartphone - und die Mitfahrgelegenheit kommt. Meier fragte sich, ob die großen Arbeitgeber dazu gebracht werden können, "ihre App-Systeme mit unseren zu verzahnen".

Stimmen der Gemeinderäte

Joachim Eble (FWV) erinnerte an die Forderung seiner Fraktion in der Haushaltsrede nach einem attraktiveren ÖPNV, signalisierte Zustimmung für die Ideen. Torsten Rönisch (SPD) nannte die Ansätze zukunftsweisend - und stellte Gedankenspiele zu den Parkhäusern auf dem Audi-Gelände an: "Das wären gute Produktionsflächen." Stefan Müller (B90/Die Grünen) erinnerte wie Karl-Heinz Ullrich (SPD) daran, dass in nur eineinhalb Jahren die neue Ausschreibung des Bussystems anstehe. Es sei ein großzügiger Ausbau des ÖPNV in enger Zusammenarbeit mit der Region und den Nachbarkommunen anzugehen.

Werner Weybrecht (CDU) fand, es müsse in größeren Dimensionen gedacht werden, nannte eine bessere Anbindung der Böllinger Höfe, Ringverkehre zwischen Heilbronn und Neckarsulm: "Wir wollen den ÖPNV 4.0, aber wir sind noch nicht mal bei 2.0."

 

 

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Kommentare

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am 25.11.2018 09:27 Uhr

Ich denke so langsam kommen wir auf den richtigen Weg. Wenn besondere Bedingungen herrschen, braucht es auch besondere Lösungen. Auch möchte ich meinem Vorredner recht geben.
Die Menschen müssen das Angebot nutzen wollen.
Schwachstellen bisher sind die Zuverlässigkeit und die Flexibilität, wenn dies auch noch zu einem angemessenen Preis geschehen kann, dann könnte es echt was werden. Natürlich muss sich das dann erst herum sprechen und ich befürchte, das muss langsam wachsen. Dazu gehört aber auch Geduld, also muss man erstmal drauf legen. Der Gewinn wäre aber für NSU enorm und den Einsatz Wert.

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Hans-Ulrich Wagner am 23.11.2018 16:47 Uhr

Wie wäre es, wenn man die Stadtverkehre Heilbronn und Neckarsulm zusammen legen würde, Beispiel Konstanz-Kreuzlingen. Hier klappt es einwandfrei, obwohl die Konstanzer Nachbarstadt Kreuzlingen in der Schweiz liegt. Ansonsten müsste mehr auf die Arbeitszeiten von Audi geachtet werden. Dies betrifft vor allem Stadtbahn, sowie RB und RE.

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