Finanzamt Heilbronn beobachtet Kasseler Pilot zur automatischen Steuererklärung
In einem bundesweit einmaligen Pilotprojekt übernimmt das Finanzamt in Kassel derzeit die Steuererklärung 2024 für 6000 ausgewählte Steuerpflichtige. Bei Finanzexperten in Baden-Württemberg und in der Region Heilbronn wird das durchaus mit Interesse beobachtet.
In einem bundesweit einmaligen Pilotprojekt übernimmt das Finanzamt in Kassel derzeit die Steuererklärung 2024 für 6000 ausgewählte Steuerpflichtige. Der Versuch geht auf den Vorschlag des hessischen Finanzministers Alexander Lorz (CDU) zurück, der sich einer Vereinfachung im Steuerrecht verschrieben hat.
Die ausgewählten Steuerzahler erhalten in den nächsten Wochen einen automatisierten Vorschlag für ihre Einkommensteuerveranlagung. Diesem können sie zustimmen, indem sie nichts weiter unternehmen. Sie können aber auch Änderungen beantragen oder selbst noch eine Erklärung abgeben.
Finanzamt Kassel testet bundesweit einzigartiges Pilotprojekt zur Steuervereinfachung
Klingt einfach. Geht nach Einschätzung von Katja Konnerth, Leiterin des Finanzamtes Heilbronn, aber nur bei einer bestimmten Gruppe: bei Personen nämlich, bei denen schon alle Daten vorliegen – etwa weil sie digital übermittelt wurden – und die steuerlich nicht beraten werden.
Eine Erleichterung für die Behörde werde ihrer Interpretation nach dadurch erzielt, dass diese ausgefüllten Erklärungen proaktiv rausschickt werden, bevor ein Mahnverfahren angestoßen werden muss. Den Vorstoß des hessischen Finanzministers beobachtet Konnerth mit Interesse: „Wir wollen es ja eigentlich allen so leicht wie möglich machen.“ Alles, was die Abgabe einer Steuererklärung erleichtere, begrüße sie, sagt Konnerth.
Finanzämter könnten von Automatisierungsprozessen profitieren
Im Einzugsbereich des Finanzamtes Heilbronn müssen 188.000 Personen eine abgeben, 75.000 beraten und 113 000 nicht beraten. Auf diejenigen heruntergebrochen, bei denen sich Jahr für Jahr nichts oder nur wenig ändere, kommt Konnerth auf 30.000 Personen. Einen Vorteil sieht sie für die Finanzämter selbst: Bis Ende Juli lagen in Heilbronn gut 60 Prozent aller Steuererklärungen aus dem Vorjahr vor, bis Ende des Jahres rechnet die Direktorin mit 90 Prozent. „Die Beratenen haben etwas länger Zeit.“
Sollten Automatisierungsprozesse, wie sie jetzt in Kassel erprobt werden, bundesweit eingeführt werden, könnten die Behörden manche Erklärungen schneller bekommen. Kapazität, sich mit dem aktuellen Steuerjahr zu beschäftigen, werde frei.
Aktuell kenne man die Details des Kasseler Pilotmodells noch nicht, sagt Anton Sendler, Sprecher des baden-württembergischen Finanzministeriums, auf Nachfrage. „Aber grundsätzlich sind auch wir an Vereinfachungen sowohl im Prozess, als auch der Steuererklärung selbst interessiert.“ Das sei ein wiederkehrendes Thema in den regelmäßigen Gesprächen mit den anderen Ländern. „Wir werden uns die Details des Pilotmodells anschauen und auch, wie es dann in der Praxis funktioniert und ob die Vorteile des Modells überwiegen,“ so Sendler.
Lohnsteuerhilfe Baden-Württemberg sieht hohen Hilfe-Bedarf bei der Steuererklärung
Als „groß“ bezeichnet Yahya Satilmis, Vorstand der Lohnsteuerhilfe Baden-Württemberg, den Bedarf an Hilfen bei der Steuererklärung: „Viele sind unsicher, welche Angaben für sie wichtig sind, welche Freibeträge oder Pauschalen sie nutzen können und wie sie alles korrekt beim Finanzamt angeben.“ Auch wenn es Versuche gebe, bei denen Steuererklärungen teilweise automatisch erstellt werden, bleibe der Beratungsbedarf hoch.
Denn das Finanzamt könne, so schätzt auch Satilmis das Pilotprojekt in Kassel ein, „nur Standardfälle berücksichtigen“. Eine Entbürokratisierung bei der Steuer begrüßt Satilmis ausdrücklich: „Einfach, klare Regeln helfen allen Beteiligten.“ Die Lohnsteuerhilfe Baden-Württemberg unterhält im Verbreitungsgebiet der Heilbronner Stimme, Kraichgau Stimme und Hohenloher Zeitung Büros in Öhringen, Heilbronn, Neckarsulm, Lauffen und Sulzfeld. Beratung und Unterstützung gibt es aber auch bei Steuerberatern.
„Das Steuersystem in Deutschland versucht, jedem Einzelnen gerecht zu werden“, betont Katja Konnerth, „und dadurch wird es komplexer. Aber wir halten es hier eben sehr hoch, dass jeder nach seiner Leistung besteuert wird. Und da berücksichtigen wir schon viel.“

 
                             
           
     
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