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Burgfestspiele Jagsthausen: Abgeklärter Freiheitsheld

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Jagsthausen - Die zweite Wiederaufnahme von Heinz Kreidls Inszenierung des Traditionsstücks "Götz von Berlichingen" bei den Burgfestspielen Jagsthausen bietet mit Arthur Brauss einen angenehm leisen und besonnenen Götz auf.

Von Andreas Sommer
Sie werden das Ränkespiel nicht überleben: Adelheid von Walldorf (Carolina Vera) und Adalbert von Weislingen (Jürgen Hartmann).
Sie werden das Ränkespiel nicht überleben: Adelheid von Walldorf (Carolina Vera) und Adalbert von Weislingen (Jürgen Hartmann).

Jagsthausen - Johann Wolfgang Goethe hat mit seinem 1774 uraufgeführten Sturm-und-Drang-Drama „Götz von Berlichingen“ versucht, einen deutschen Shakespeare zu schreiben, der auf die Einheit von Ort, Zeit und Handlung verzichtet, über 50 Schauplätze kennt und vom Kaiser bis zum Bauern keine soziale Schicht auslässt.

Regisseur Heinz Kreidl hat das an sich Unaufführbare, das sich um das Grundthema Freiheit dreht, vor zwei Jahren für die Burgfestspiele Jagsthausen zu einem flüssigen Bilderbogen geformt, der wie ein Film ohne jede Pause abläuft. Das führt zu vielen unkonventionellen Simultanszenen, die der Inszenierung Tempo geben und dem Publikum Spannungsmomente bescheren.

Bei der zweiten Wiederaufnahme der 150-minütigen Erfolgsinszenierung interessierte eines: Wie ist der neue Götz, wie schlägt sich die neue Adelheid? Arthur Brauss, hager und bartlos, verkörpert einen angenehm leisen, besonnenen und abgeklärten Götz, der sein Freiheitsideal nicht marktschreierisch verkauft, sondern gelassen altersmild. Der schmucklose Ethos des Auslaufmodells Ritter, wie ihn Götz, Selbitz oder Sickingen verkörpern, unterliegt der Dekadenz von Klerus und höfischer Gesellschaft an der Schnittstelle von mittelalterlichem Ständestaat und neuzeitlichem Rechts- und Verwaltungsstaat.

Carolina Vera ist eine attraktive Adelheid von Walldorf, die viel über ihre Mimik mitteilt. Sie ist weniger dämonische Verführerin als eine Frau, die in einer Männergesellschaft ihre Schäfchen ins Trockene bringen will und dabei in eine Falle tappt. Jürgen Hartmann gibt einen Weislingen, der unentschlossen und verführbar mit den sich ändernden Verhältnissen untergeht.

Der 72-jährige Arthur Brauss spielt einen angenehm leisen, besonnenen und abgeklärten Götz von Berlichingen.Fotos: Thomas Braun
Der 72-jährige Arthur Brauss spielt einen angenehm leisen, besonnenen und abgeklärten Götz von Berlichingen.Fotos: Thomas Braun

Surrealer Barfüßiger Kreidl hat manches gestrichen (Zigeunerhochzeit), anderes - nicht immer zum Vorteil - verändert wie die Feme oder die Mummerei. Die Rolle des Georg (Dietmar Horcicka) ist aufgewertet, Berno von Cramm überzeugt als Kaiser, und erstmals begleitet Götzens Frau Elisabeth (ernst: Andrea Wolf) ihren Mann vor den Heilbronner Rat.

Im Bauernkrieg herrscht derber, lautstarker Naturalismus. Als Hommage an Shakespeare hat Kreidl die allegorische Figur des Barfüßigen kreiert. Barbara Krabbe macht aus dieser Mischung aus Bänkelsänger, Dorftrottel und Orakel eine surreale Figur, die lange im Gedächtnis bleibt. Nur ihr Maultrommeleinsatz nach Götzens Tod wirkt deplatziert.

Die nächsten Aufführungen: 27. Juni, 3. , 12, und 18. Juli, jeweils 20.30 Uhr. Karten: 07943/912345.

Weitere Infos unter burgfestspiele-jagsthausen.de

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