Premiere von "Das Traumfresserchen" in der Boxx
Keine Angst vor Alpträumen: Das Junge Theater in der Boxx des Heilbronner Theaters zeigt "Das Traumfresserchen" nach einem Bilderbuch von Michael Ende. Im Fokus des Stücks steht ein besonderes Königreich.

Da sag noch einer, dass es bei Königs gemeinhin drunter und drüber geht. Nehmen wir die Königs aus dem Schlummerland. Papa und Mama König sind friedfertige Zeitgenossen und proklamieren mit einigem Stolz ihr unschlagbares Motto "Kissen für alle", Töchterchen Schlafittchen ist ein wahrer Wonneproppen. Auch ihr Untertan, Königs herrschen über ein recht kleines und überschaubares Reich, wird gepflegt und gehegt.
Man neckt sich und veräppelt sich und hat es auch sonst recht gern bequem. Das offizielle Outfit bei Königs? Klar, die Krone gehört auf den Kopf. Darunter aber: der Schlafanzug. Wie gerne würde man sich in der Boxx einfach zu den Schlummerländern auf die gemütliche und sich stetig wandelnde Matratzenlandschaft (Ausstattung: Sophie Lenglachner) gesellen.
Das Stück richtet sich an Kinder ab vier Jahren
Doch der familiäre Frieden ist in Gefahr in Michael Endes Kinderbuchklassiker "Das Traumfresserchen", der jetzt in einer poetischen Inszenierung von Grit Lukas Premiere hatte. Mit einem unheilvollen Flackern des Lichts beginnen die Sorgen. Wieso scheint Schlafittchen (Anja Bothe) plötzlich von ihren Eltern entliebt? Wieso wird, oh Schreck, der Untertan zum Erbfolger befördert? Welch ein Alptraum.
Und genau um dieses beängstigende Phänomen, das ganz kleine Kinder noch nicht so recht einordnen können, geht es im Stück ganz frei nach dem Bilderbuch von Michael Ende aus dem Jahre 1978, das sich an Kindergartenkinder ab vier Jahren richtet.
Wie nebenbei und kindgerecht, vielleicht mit 70 Minuten eine Spur zu lang für die jüngsten Theaterbesucher, spricht Grit Lukas diese Ängste an. Gemeinsames Singen tut gut, denkt sich das gut gelaunte und flinke Ensemble um Romy Klötzel, Sascha Kirschberger und Peter Volksdorf, das in ungezählte Rollen schlüpft und wie nebenbei schon wieder eine neue, ein wenig irre Matratzenkulisse baut.
Es stimmt "La Le Lu" an, mimt Einschlaf- und andere Übergangsrituale, ruft gar den Arzt, der frech "Bis Baldrian!" ruft, aber ansonsten auch ratlos ist. Es nützt nichts, Papa König (Sascha Kirschberger) muss sich aufmachen in die Welt und um Hilfe bitten. Und so beginnt eine lehrreiche Reise, Papa König verlässt seine Komfortzone und besteigt ein Fahrrad.
Das Stück hat auch eine pädagogische Ader
Michael Ende, so wunderbare Fantasiewelten er auch erschaffen hat, hatte auch immer eine pädagogische Ader. Welche Erkenntnisse er doch seinen Fans näher bringen will. Zusammen sind wir stark. Geduld wird belohnt. Vertraue dich Fremden an, und du wirst reich beschenkt. In einem fernen Land jenseits der uns bekannten Welt stößt der König auf eine gefräßige Seele namens Traumfresserchen, Peter Volksdorf erweist sich hier nicht nur als toller Pantomime, er darf auch eine kesse Lippe riskieren.
Schließlich wird er gebraucht von den Menschen, nicht wahr? Sein Traumfresserchen, Igelfrisur mit stechenden Gäbelchen, dicker, runder Bauch mit großem Loch, ist gewissermaßen die Fleisch gewordene Putzkolonne, die alle bösen Träume schluckt. Was Sigmund Freud zu dieser Konkurrenz gehalten hätte? Darüber mögen die Eltern nachdenken, die auf einer zweiten Ebene von der Regisseurin angesprochen werden. Die Kinder werden dieses drollige Traumfresserchen in ihr Herz schließen. Man muss es nur zu sich nach Hause einladen. Ein Zauberspruch hilft.