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Moritat eines Lebens und Poem einer Nacht

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Ton-Dichtungen liegen zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert in der Luft. Eine schöne Idee des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn jetzt zwei Antipoden der klassischen Moderne, Igor Strawinsky und Arnold Schönberg, mit Ton-Dichtungen einander ...

Von Leonore Welzin
Gäste beim Württembergischen Kammerorchester Heilbronn: Rezitator Dominique Horwitz und Dirigent Johannes Gustavsson.
Foto: Guido Sawatzki
Gäste beim Württembergischen Kammerorchester Heilbronn: Rezitator Dominique Horwitz und Dirigent Johannes Gustavsson. Foto: Guido Sawatzki  Foto: Sawatzki

Ton-Dichtungen liegen zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert in der Luft. Eine schöne Idee des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn jetzt zwei Antipoden der klassischen Moderne, Igor Strawinsky und Arnold Schönberg, mit Ton-Dichtungen einander gegenüberzustellen.

Unter großem Jubel der rund 1500 Musikfreunde für die literarisch-musikalischen Kabinettstücke und ihre meisterhaften Interpreten − den Rezitator Dominique Horwitz, den Dirigenten Johannes Gustavsson, sowie die beteiligten WKO-Mitglieder − findet die Saison einen ebenso inspirierenden wie würdigen Ausklang in der Harmonie.

In Strawinskys "Geschichte vom Soldaten" (1917) verschreibt sich der Protagonist dem Teufel. Er tauscht seine Geige, Symbol seiner Seele, gegen ein Buch, das Reichtum verspricht. Doch Geld allein macht nicht glücklich. Im raschen Tempo des Refrains hört und fühlt man nicht nur, wie einer auf der Jagd nach dem Glück durchs Leben stolpert, sondern auch, wie die Zeit verrinnt. Beim Kartenspiel kann der Soldat sein Instrument dem betrunkenen Beelzebub wieder abluchsen, um mit seiner Geigenmusik die kranke Prinzessin zu heilen und für sich zu gewinnen.

Diese Moritat, vom Schweizer Dichter Charles-Ferdinand Ramuz nach russischen Märchen für eine Wanderbühne geschriebenen, wird im Wechsel von Sprecher und kleinem Instrumentarium aufgeführt. Horwitz, ein Virtuose des Metiers, schlüpft mit viel Sinn für Rhythmus und Musik von der Rolle des Erzählers in die Figuren. Musikalische Impulse fängt er auf, setzt gezielt Pausen, rappt im Stakkato Reime, die ihm als Träger des Mephisto-Preises ebenso zur Ehre gereichen wie die dramatischen Dialoge zwischen Teufel und Soldat.

Tragikomisch Umgarnt wird er von den exquisiten Instrumentalisten an Violine, Trompete, Klarinette, Posaune, Fagott, Kontrabass und Schlagwerk. In Soldatenjoppe, roter Hose und Stiefeln zeichnet Nanna Koch in den der Geige gewidmeten Sätzen "Petits Airs", "Petit Concert", "Tango", "Valse" und "Ragtime" alle emotionalen Facetten der tragikomischen Figur.

Schließlich bekommt der Teufel im infernalischen "Triumph-Marsch" noch das letzte Wort, was nach Happy End aussah, und wankt zu synkopierten Paukenschlägen einem bedrohlichen Ende entgegen.

Prägen Kriegserfahrung und russische Revolution den scharf rhythmisierten Grundton des Strawinsky-Werkes, wirkt die 1899 entstandene, 1902 uraufgeführte "Verklärte Nacht" von Schönberg wie auf Blüten gebettet. Hier eine holzschnittartige Collage aus ineinander verschachtelten Text- und Bildteilen, dort ein musikalisches Aquarell des gleichnamigen Gedichts von Richard Dehmel. Das der Partitur voran gestellte Poem beschreibt den Gang eines Paars im Mondschein.

Die Frau gesteht, dass sie von einem anderen ein Kind erwartet. Dabei trifft sie auf Verzeihen seitens des Mannes, der das Kind als sein eigenes annehmen will. Schönberg hat präzise dokumentiert, welche Abschnitte welche Verszeilen illustrieren. Detailgenau und agil ist das Dirigat von Johannes Gustavsson, der dem Klangkörper die Freiheit gibt, Phrasen auszukosten. Hingabe pur im Dienst der Kompositionen.

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