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Festival Science & Theatre
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Mit dem VR-Headset eintauchen in die Geschichte eines anderen

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Deutschlandpremiere von „To Be a Machine“ – was uns die Virtual Reality-Performance von Dead Center bei Science & Theatre im Komödienhaus Heilbronn über die Zukunft des Theaters lehrt. Und was nicht.

Mit Headset und Kopfhörer in immersive Theaterwelten eintauchen: Sechs Mal war die VR-Performance „To Be a Machine“ im Komödienhaus zu erleben.
Mit Headset und Kopfhörer in immersive Theaterwelten eintauchen: Sechs Mal war die VR-Performance „To Be a Machine“ im Komödienhaus zu erleben.  Foto: Ste Murray

Dead Centre nennt sich das britisch-irische Theaterkollektiv um das Regie- und Autorenduo Ben Kidd und Bush Moukarzel. In Dublin, Göteborg, Wien, Stuttgart und anderswo realisieren sie Theaterprojekte. Ihre VR-Performance „To Be a Machine (Version 2.0)“ war nun als Deutschlandpremiere gleich sechs Mal beim Festival Science & Theatre zu erleben: eine bewegende Meta-Versuchsanordnung als metaphysisches Gedankenspiel.

Am späten Donnerstagabend sitzen etwa 20 Personen im Stuhlkreis auf der Bühne im Komödienhaus Heilbronn, eine technische Mitarbeiterin von Dead Centre erklärt, wie man das VR-Headset aufsetzt und dann die Kopfhörer. Wem auf der virtuellen Reise schwindelig werden sollte, möge kurz die Augen schließen. Bei technischen oder anderen Problemen, einfach die Hand heben.

Komplett isoliert drehen wir uns um unsere eigene Achse

Und nun darf man am eigenen Leib erfahren, welche Dimensionen für das Theater sich eröffnen, wenn technologische Verfahren die Grenzen unserer intellektuellen, psychischen und physischen Möglichkeiten erweitern. Mit Headset und Kopfhörer begeben wir uns auf eine Reise durch die Straßen Dublins, irren durch die schmalen Gänge eines Theaters, stehen selbst auf der Bühne, verlieren wir uns in einem Pub und im Wohnzimmer eines Schauspielers, der uns zu kennen vorgibt. Komplett isoliert von den anderen im Publikum, drehen wir uns im Stuhl um unsere eigene Achse und tauchen ein in einen täuschend echten 360-Grad-Kosmos.

Das immersive Erleben lässt uns die Natur von Realität hinterfragen. Kann VR das traditionelle Theater ersetzen? Nach 40 Minuten, als eine Stimme auffordert, das Headset wieder abzunehmen, ist man irgendwie erleichtert. Auf dem Boden im Stuhlkreis auf der Bühne liegt der reale Schauspieler Marco Massafra. Er nennt die Vornamen der Zuschauer oder wie man die nennen soll, die kurz zuvor mittels der Technik selbst zu Spielern wurden. Die Performance endet so als Lecture zu Fragen des Transhumanismus.

Ist nicht das Medium Theater schon an sich Technologie?

Entstanden ist die Idee zu „To Be a Machine“ während der Corona-Pandemie. Eine clevere Meditation über das, was VR an Gefühlen evoziert, an Versprechen, aber auch an Enttäuschung. Ob Dead Center, die in ihren Theaterarbeiten immer schon Video einsetzen – in Stuttgart steht ihre Inszenierung „Die Erziehung des Rudolf Steiner“ auf dem Spielplan – weitere Projekte mit Virtuellen Realitäten planen? Im Moment eher nicht, erfahren wir im Publikumsgespräch nach der Performance. Aber ist nicht das Medium Theater schon an sich Technologie?

Eine Begegnung mit Alfred Hitchcock

Den Begriff VR hat wohl der französische Dichter und Theatermann Antonin Artaud erstmals 1938 verwendet in seiner Schrift „Le théâtre et son double“. Während „To Be a Machine“ begegnet man auch Alfred Hitchcock, der in einer Schwarz-Weiß-Fernsehsendung zur Zukunft des Films im Jahr 3000 befragt wird. Von Massenhypnose spricht der Altmeister des Thrillers. Und man begegnet sich selbst im eigenen Porträtfoto, das man bei der Buchung der Tickets zuvor digital eingereicht hat: um in die Geschichte eines anderen einzutauchen.   

Mit Headset und Kopfhörer in immersive Theaterwelten eintauchen: Sechs Mal war die VR-Performance „To Be a Machine“ im Komödienhaus zu erleben.
Foto: Ste Murray
Mit Headset und Kopfhörer in immersive Theaterwelten eintauchen: Sechs Mal war die VR-Performance „To Be a Machine“ im Komödienhaus zu erleben. Foto: Ste Murray  Foto: Ste Murray
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