Politik ringt um Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet wirbt für die Einrichtung eines Sicherheitsrates nach US-Vorbild und möchte diese im Kanzleramt angesiedelt wissen. Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner fordert von CDU/CSU, erst "innere Widersprüche" in ihrer Sicherheitspolitik zu klären. FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht einen alten Vorschlag ihrer Partei bestätigt. Und Unions-Obmann Roderich Kiesewetter betont, die Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrates sei überfällig.

Die Debatte, ob auch Deutschland einen fest installierten Nationalen Sicherheitsrat nach US-Vorbild braucht, ist neu entbrannt. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat jetzt bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung Position bezogen: Er werde im Fall eines Wahlsiegs einen Nationalen Sicherheitsrat bilden, sagte er. Seine Begründung: „Wir brauchen in den entscheidenden Momenten für unser Land die Expertise der gesamten Regierung einschließlich der Nachrichtendienste an einem Tisch.“ Wenn es um Gesundheitskrisen oder Terrorlagen gehe, müssten auch die Bundesländer eingebunden werden. „Wir brauchen dieses Handeln nach außen aus einem Guss, gerade weil die Antworten immer komplexer werden.“
Das neue Gremium soll nach den Vorstellungen des CDU-Vorsitzenden eine Erweiterung des bestehenden Bundessicherheitsrats sein, dem die Bundeskanzlerin und mehrere für Sicherheitsfragen zuständige Minister angehören. Dieses Gremium tagt geheim, seine Entscheidungen bleiben der Öffentlichkeit in der Regel verborgen. Eine Ausnahme sind die Genehmigungen von Rüstungsexporten, über die das Gremium den Bundestag unterrichten muss. Der Nationale Sicherheitsrat sollte im Kanzleramt angesiedelt werden und unter Beteiligung des Bundestags auch eine nationale Sicherheitsstrategie entwerfen.
Kramp-Karrenbauer forderte Sicherheitsrat bereits 2019
Laschet greift einen alten Vorschlag der damaligen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf. Die Verteidigungsministerin hatte Ende 2019 erklärt, sie plane die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates. Dieser solle Instrumente von Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, innerer Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit koordinieren.
Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, sieht im Vorstoß von Laschet den Versuch der CDU, Widersprüche in ihrer eigenen Politik verdecken zu wollen. Lindner sagte unserer Redaktion: „Eine koordinierte und widerspruchsfreie Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands ist überfällig. Schön, dass Armin Laschet das auch erkannt hat. Fakt ist aber auch, dass allein durch die Schaffung neuer Gremien wie einem Sicherheitsrat die Konflikte und Widersprüche, die sowohl die Bundesregierung als auch CDU/CSU im Speziellen haben, nicht gelöst werden.“
Lindner: Mehr Koordination im Kabinett tut der Sicherheitspolitik gut
Lindner fügte hinzu: „Man kann nicht von Wertepartnerschaften sprechen und gleichzeitig Rüstungsexporte an die Kriegsparteien im Jemen genehmigen. Wer von klarer Kante gegenüber Moskau spricht und bei Nord Stream 2 so tut, als sei nichts gewesen, macht sich unglaubwürdig. Und während sich Armin Laschet abends zum willkürlichen 2-Prozent-Ziel der Nato bekennt, stellt morgens AKK Eckpunkte einer Bundeswehrreform vor, die richtigerweise auf engere Spielräume im Haushalt Rücksicht nimmt. Diese Widersprüche ihrer eigenen Politik muss die CDU klären, statt sie mit der Forderung nach einem Sicherheitsrat verdecken zu wollen.“ Der Grünen-Politiker betonte: „Ich will mich gar nicht gegen eine Aufwertung des Bundessicherheitsrats prinzipiell aussprechen. Mehr Koordination im Kabinett tut der Sicherheitspolitik gut.“ Aber ein solches Gremien werde nutzlos bleiben, wenn innere Widersprüche ihrer Außen- und Sicherheitspolitik nicht vorher geklärt würden.
Strack-Zimmermann: Wenn Laschet das jetzt will, umso besser
Die FDP hatte bereits im März 2020 ihre Forderung nach einem Sicherheitsrat untermauert und einen entsprechenden Antrag zur Beratung in den Bundestag eingebracht. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sprecherin der FDP-Fraktion für Verteidigungspolitik, sagte nun unserer Redaktion: „Wir begrüßen einen Nationalen Sicherheitsrat und fordern das in der Tat schon lange. Wenn Laschet das jetzt will, umso besser.“
Der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter, sagte: „Die Vorschläge von Armin Laschet sind ein klares Bekenntnis zur Bereitschaft, Krisenbewältigung aktiv zu gestalten und Deutschland in Nato, EU und weiteren internationalen Organisationen interessenorientiert auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes aufzustellen“.
Kiesewetter: Strategische Vorausschau von Krisenszenarien
Die Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrats vom Rüstungsexportgremium zu einem strategischen Beratungs- und Koordinierungsinstrument der Bundesregierung sei angesichts der Bedeutung Deutschlands und der weltweiten Krisenlagen überfällig, so Kiesewetter: „Die Pandemie zeigt, die Bundesregierung braucht ein Instrument, das wesentliche Ministerien und auch die Länderebene koordiniert mit Blick auf die großen Megatrends und die strategische Vorausschau von Krisenszenarien wie auch zur praktischen Bewältigung von Pandemien, Cyberbedrohungen und Katastrophenlagen. Ein nationaler Sicherheitsrat koordiniert und erarbeitet Positionen und gibt der Regierung Handlungsvorschläge.“
Kiesewetter betonte, es sei ein Erfolg für die deutsche Sicherheitspolitik, dass innerhalb von nur einer Woche der Unionskanzlerkandidat und die Verteidigungsministerin „koordiniert an die erforderliche Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik“ gehen - mit der „Umsetzung einer zwingend notwendigen Bundeswehrreform und der zukunftsweisenden Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat wie einer mit dem Bundestag abzustimmenden nationalen Sicherheitsstrategie“.
Nationaler Sicherheitsrat
In den USA gibt es einen Nationalen Sicherheitsrat bereits seit 1947. Dort ist er das wichtigste Forum des Präsidenten, um Entscheidungen bei Themen der nationalen Sicherheits- oder der Außenpolitik zu treffen. Ihm gehören neben dem Nationalen Sicherheitsberater auch mehrere Kabinettsmitglieder an, zum Beispiel die Minister für Äußeres, Verteidigung, Heimatschutz und Justiz. Militärischer Berater des Rates ist der Chef der Streitkräfte. Der Tagungsort ist der Situation Room, der Lagebesprechungsraum im Keller des Weißen Hauses. Er ist das prominente Vorbild für Sitzungszimmer in vielen Hollywood-Produktionen, in denen über Krieg und Frieden entschieden und über Krisen beraten wird.