Kommentar: Dem Kanzleramt ist die Regie entglitten
Der Streit darüber, ob der Bund im Corona-Kampf mehr Kompetenzen übernehmen darf, ist im Grunde genommen hinfällig. De facto kann der Bund Corona-Maßnahmen für ganz Deutschland vorgeben. Soweit die Theorie.
Die Praxis sieht deshalb anders aus, weil Bundesregierung und Parlament keinen Plan haben, wie der Pandemie am besten beizukommen wäre. Dem Kanzleramt ist die Regie in den vergangenen Monaten entglitten. Was von dort kam, wurde entweder anschließend wieder einkassiert (Osterruhe) oder von den Ministerpräsidenten nicht umgesetzt. Genau deswegen will Merkel ja mehr Macht über die Länder bekommen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum die Pandemiebekämpfung auf einmal besser laufen sollte, wenn Merkel sie über ihre Mehrheit im Bundestag komplett übernehmen würde.
Die Corona-Maßnahmen wirken nicht nur wie ein Flickenteppich, sie sind es auch. Deutschland ist damit im Vergleich zu anderen Ländern aber ganz gut gefahren. In Frankreich etwa wurde von zentral oben entschieden, das Ergebnis ist fatal. In Deutschland sehen die Chefs in den Ländern und Kommunen genau, welche Strategie am besten gegen das Virus hilft. Entscheidungen können vor Ort allemal besser getroffen werden als aus dem Kanzleramt heraus, das nur abstrakte Kriterien wie etwa die Inzidenzwerte heranzieht. Merkel mag also zwar Recht haben, sie sollte aber nicht darauf dringen, es auch zu bekommen.