Als Wassermassen in Japan die Atomkraft in Deutschland beendeten
Die Tsunami-Katastrophe von Fukushima 2011 führte hierzulande zum abermaligen Ausstieg aus der Kernenergie. Der Energiekonzern EnBW verodnete sich eine komplette Wandlung - und ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Es war noch vor der Mittagszeit, als die Nachrichtensender ihre Berichterstattung am 11. März 2011 für eine Live-Schaltung nach Japan unterbrachen. Die Bilder, die sie da zeigten, erinnerten stark an jene von Weihnachten 2004: Grauschwarze Wassermassen, die sich über Felder und Siedlungen ergießen, alles mit sich reißen, Tod und Zerstörung bringen. Wie ein Tsunami aussieht, hatten die Europäer durch die Katastrophe von Sumatra gelernt. Diesmal aber entfaltete das Beben der Stärke 9,1, das drittstärkste der vergangenen 100 Jahre, eine viel weiter reichende Wirkung.
Bereits am frühen Abend europäischer Zeit war klar, dass es nicht bei den Zerstörungen durch die Flutwelle bleibt. Aus dem - hierzulande fast unbekannten - Atomkraftwerk Fukushima, 150 Kilometer südwestlich des Epizentrums gelegen, wurden starke Zerstörungen und ausgefallene Kühlsysteme gemeldet. In den nächsten Tagen nahm die Katastrophe ihren Lauf. Videos von explodierenden Kraftwerksblöcken, davonfliegenden Teilen und aufsteigendem Qualm prägten die Nachrichten. Zum zweiten Mal nach Tschernobyl war das geschehen, was nicht geschehen durfte: Kernreaktoren waren zerstört, die Kernschmelze eingetreten.
Neckarwestheim 1 musste sofort vom Netz
Dass durch das Beben und den Tsunami etwa 22 200 Menschen ums Leben gekommen waren, geriet in den Folgewochen fast in den Hintergrund. Stattdessen erhob sich die Debatte um den Ausstieg aus der Atomkraft von Neuem. Erst fünf Monate zuvor hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung den Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün aus dem Jahr 2000 gekippt. Am 14. März zog das Bundeskabinett Konsequenzen: Acht Blöcke mussten im Zuge eines Moratoriums sofort vom Netz, darunter auch der ältere der beiden in Neckarwestheim. Für die übrigen neun Meiler legte die Regierung einen Stufenplan fest: Ende 2022 gehen die letzten drei Meiler vom Netz - Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2.
"Kernkraft ist in Deutschland ein für alle Mal erledigt"

Für die Stromkonzerne kam dieser Beschluss zur Unzeit. Gerade erst waren Investitionen getätigt und Planungen festgezurrt worden. Folglich klagten sie auf Schadenersatz - mit Erfolg. "Mit Fukushima war mir aber klar: Das Thema Kernkraft wird sich in Deutschland ein für alle Mal erledigen", erinnert sich Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH. Die politische Stimmung im Land war schlicht gegen Atomenergie. Der Karlsruher Konzern machte aus der Not eine Tugend: "Wir haben uns einer umfassenden Transformation unterzogen." Weg von der Kernkraft, hin zu Erneuerbaren - diesen Kurs verordnete der neue Konzernchef Frank Mastiaux.
Die Erfahrungen, die seit 2008 durch den Rückbau des stillgelegten Meilers Obrigheim gewonnen wurden, werden nun für die Blöcke in Philippsburg und Neckarwestheim genutzt. Und während Vattenfall, Eon und RWE noch klagten, investierte die EnBW bereits in Windkraft auf See und Dienstleistungen für Elektromobilität. Immerhin - kurz vor dem Jahrestag von Fukushima sind nun auch die Entschädigungen für das angeordnete Ende der Atomkraft verhandelt. 2,4 Milliarden Euro fließen an die Konzerne, davon 80 Millionen Euro an die EnBW. Der gesamte Rückbau kostet sie übrigens 7,2 Milliarden Euro.