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Wie junge Menschen in West-Afrika lokale Probleme lösen wollen

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3D-Drucker, eine Unfall-App und Schokolade, die kaum schmilzt: Junge Start-Up-Gründer gehen Probleme in Togo kreativ an. Allerdings fehlt ihnen oft das Geld, um ihre Ideen umzusetzen. Ein Besuch in Togo.

Von Christine Faget

Hilflosigkeit. Dieses Gefühl kennt Helton Yawovi nur zu gut. 2015 war er mit einem Freund in den staubigen Straßen von Lomé unterwegs, der quirligen Hauptstadt Togos. Verkehrsregeln scheinen hier nicht zu existieren: Die für Westafrika typischen Motorrad-Taxis schlängeln sich zwischen Lastwagen hindurch, Autos drücken sich hupend über Kreuzungen. Inmitten des Verkehrschaos ließ ein Unfall die beiden Jugendlichen aufschrecken. Schnell griffen sie zum Handy, riefen den Krankenwagen.

Doch der kam zu spät. Hilflos musste Yawovi zuschauen, wie Menschen ihr Leben verloren. Kein seltenes Problem in dem westafrikanischen Land, sagt er.

Das Start-Up will Menschen bei Verkehrsunfällen helfen

 Foto: Faget, Christine

Inzwischen ist Yawovi 23 Jahre alt, hat studiert und intensiv an der Lösung des Problems gearbeitet. Mit drei Freunden hat er ein Start-Up gegründet − ein junges Unternehmen, das eine neue Idee vermarktet. Ihr Produkt: Eine App, die Notärzten hilft, Unfälle schneller zu orten und Patientendaten zu erfassen.

Yawovi und seine Freunde hatten Erfolg: Sie gewannen mehrere Ideen-Wettbewerbe und bekamen staatliche Fördergelder. Inzwischen sind sie vom Seminarraum in ein eigenes Büro in der Stadt gezogen.

Ein Makerspace für junge Gründer

Hinter einer Tür mit einem geheimnisvollen Logo verbirgt sich das WoeLab.
Hinter einer Tür mit einem geheimnisvollen Logo verbirgt sich das WoeLab.  Foto: Faget, Christine

Dort versteckt sich hinter einer Tür mit einem geheimnisvollen Logo auch das WoeLab. "Woe" bedeutet in Ewe, dem lokalen Dialekt, "Mach es selbst". Und genau das ist das Motto: Es stellt jungen Menschen Materialien und Raum zur Verfügung, um ihre Ideen zu verwirklichen. "Jeder kann herkommen", erklärt Delphine Soukpor, die durch das Gebäude führt.

Dashmake heißt das Start-Up, das Helton Yawovi mit Freunden gegründet hat.
Dashmake heißt das Start-Up, das Helton Yawovi mit Freunden gegründet hat.  Foto: Faget, Christine

Die 19-Jährige näht im WoeLab Müllsäcke aus alten Wassertüten zusammen, die in Lomé die Straßen verschmutzen. Die leeren Müllsäcke verteilt sie zusammen mit einer Telefonnummer. Sobald jemand einen Müllsack befüllt hat, kann er die Nummer anrufen. Soukpor und ihre Kollegen holen dann den Müllsack ab, trennen den Inhalt, bringen ihn zu einem der zwei Recyclinghöfe in Lomé − und bekommen dafür Geld.

Sénamé Koffi hat das WoeLab gegründet und gilt als Vorreiter in der westafrikanischen Start-Up-Szene.
Sénamé Koffi hat das WoeLab gegründet und gilt als Vorreiter in der westafrikanischen Start-Up-Szene.

"Wir sind Pioniere hier"

Gegründet hat das WoeLab Sénamé Koffi. In der westafrikanischen Start-Up-Szene ist der Architekt und Aktivist eine kleine Berühmtheit. Er hatte nämlich selbst eine Idee: Für das WoeLab entwickelte er einen 3D-Drucker aus recycelten Computern. Während die Start-Up-Szene in Ländern wie Senegal oder Nigeria bereits floriert, ist sie in Togo gerade erst am Aufblühen.

Einer der 3D-Drucker aus recycelten Computern steht im WoeLab.
Einer der 3D-Drucker aus recycelten Computern steht im WoeLab.

"Wir sind Pioniere hier", sagt Koffi. Vor allem eines sei schwer: An Geld zu kommen. "Es gibt noch nicht einmal für normale Unternehmen genug Investoren", klagt der 37-Jährige. Geld ist in Togo Mangelware. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebte der Weltbank zufolge 2015 unter der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag. An Ideen mangelt es hingegen nicht: Von Schokolade, die selbst in der tropischen Hitze Togos kaum schmilzt, bis zu den 3D-Druckern. Auf einer Wirtschaftsmesse kann man sehen, wie kreative Köpfe die lokalen Probleme anpacken.

Ein differenzierter Blick ist nötig

"Afrika ist ein Kontinent, auf dem sich viel bewegt", meint Helton Yawovi. Das haben auch deutsche Wirtschaftsbosse erkannt. Der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, sagt: "Es gibt zunehmend Unternehmen, die Investitionen in Afrika spannend finden." Grund sei zum einen, dass die Menschen durch die Digitalisierung näher zusammenrückten, und zum anderen gäbe es eine massive Zunahme der Bevölkerung − und damit der potenziellen Kaufkraft.

"Wir können uns nicht erlauben, dort nicht präsent zu sein", sagt er. Investitionen in die wachsende Start-Up-Szene durch deutsche Firmen sieht er allerdings skeptisch: "Die Start-Up-Szene in Afrika muss man sich sehr differenziert anschauen." Ob deutsche Unternehmen investieren würden, hänge von der Geschäftsidee und deren Ausarbeitung ab: "Man muss bereits einen gewissen Fortschritt sehen können, der über die reine Idee hinausgeht."

Entwicklungsminister Gerd Müller.
Entwicklungsminister Gerd Müller.  Foto: Rainer Jensen (dpa)

Der "Marshallplan mit Afrika"

Helton Yawovi gibt zu bedenken, dass afrikanischen Gründern oft die Möglichkeit fehle, ihre Ideen ausländischen Investoren überhaupt zu präsentieren. "Make-IT" von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist eines der wenigen Projekte, das an dieser Schnittstelle ansetzt. "Wir sehen uns als Vermittler", erklärt Matthias Fröhlich-Rehfeld, der die zwei Make-IT-Pilotversuche in Kenia und Nigeria betreut. Er bewertet das Interesse deutscher Firmen an Investitionen in afrikanische Start-Ups positiv: "Es wird von beiden Seiten als großer Zugewinn angesehen, zu kooperieren."

Make-IT wurde vom Entwicklungsministerium in Auftrag gegeben. Es hat im "Marshallplan mit Afrika" den entwicklungspolitischen Ansatz festgehalten, Perspektiven vor Ort durch private Investitionen zu schaffen. Verzweifelt versucht die Bundesregierung, die Flüchtlingszahlen zu vermindern. Währenddessen versuchen junge Menschen in Togo, das Problem der Perspektivlosigkeit zu lösen. Einige haben überlegt, über das Mittelmeer zu fliehen, wie sie erzählen. Andere entwickeln neue Ideen, um ihre Heimat lebenswerter zu machen. Hilflos zuzuschauen scheint dort jedenfalls niemand.

Mehr zum Thema: Der "Marshallplan mit Afrika": Was steckt dahinter?

 

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