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Bildungsgerechtigkeit ist Konsens

Bei Podiumsdiskussion wird Skepsis gegenüber Gemeinschaftsschule deutlich

Von unserer Redakteurin Sabine Friedrich
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Lesezeit  2 Min
Bildungsgerechtigkeit ist Konsens
Bewegung auf dem Pausenhof der Michael-Beheim-Schule: Bewegung ist aber auch in der Bildungspolitik unter der grün-roten Landesregierung.Foto: Dennis Mugler

Obersulm - Unsicherheit, Verwirrung, Sorge: Zwischen diesen Polen schwankt die Gefühlslage bei Eltern, Schülern und Lehrern. Das wird deutlich bei der Podiumsdiskussion "Was soll sich an der Schule ändern?" mit Ute Kratzmeier, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Schule von Bündnis 90/ Die Grünen. Während sie für die neue Gemeinschaftssschule als "zentrales bildungspolitisches Projekt" der Landesregierung wirbt, erfährt sie teilweise Skepsis auf dem Podium und im Saal des Obersulmer Kulturhauses. Einig sind sich wohl alle der rund 70 Versammelten: Es muss mehr Bildungsgerechtigkeit geben, soziale Herkunft darf nicht mit Bildungserfolg gekoppelt sein.

Abschied Als Einstieg in den Ausstieg aus dem dreigliedrigen Schulsystem betrachtet die Grünen-Politikerin, hauptamtlich bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft tätig, die Gemeinschaftsschule. Es soll der Abschied vom "selektiven" Schulsystem werden, wenn Haupt-, Real- und auch Gymnasialabschluss unter einem Dach gemacht werden können. Als "Schule von unten", so Kratzmeier, soll sie sich entwickeln ohne Standardvorgaben. Es gebe gute pädagogische Gründe für dieses individuelle Lernen, am Leistungsniveau des Schülers orientiert. Es sei auch legitim, den demografischen Aspekt mit rückläufigen Schülerzahlen für das neue Modell anzuführen.

Helga Kurz, Leiterin der Käthe-Kollwitz-Schule in Weiler, bringt Kritik an. "Wo bleibt die Gerechtigkeit für die Kinder, für die dieser Level utopisch ist?", denkt sie etwa an die Förderschüler. Wenn Leistungsfähigkeit das einzige Kriterium von Schule sei, werde es immer Verlierer geben. Kratzmeier beruhigt: Es würden alle Bildungsstandards unterrichtet.

Das bisherige Schulsystem baue Druck auf, kritisiert Steven Häusinger, Vorsitzender der Stiftung Evangelisches Paul-Distelbarth-Gymnasium. Der Unterricht sollte sich nicht nur an Noten, sondern an Erfahrungen ausrichten, Ermutigung fürs Leben sein. "Das ist ein ganz wichtiges Bildungsziel." Einen Neuanfang begrüßt der Pfarrer, wenn dadurch die Bildungsumgebung der Kinder verbessert werde. "Dann ist die Gemeinschaftsschule eine tolle Anregung dafür." Für Günther Ruoff von der Obersulmer Lernbar 4u sind die pädagogischen Inhalte entscheidend.

Die Entwicklung hin zu neuen Konzepten findet der Jüngste auf dem Podium wichtig: Philipp Tominski, Schülervertreter des Politikgremiums des Justinus-Kerner-Gymnasiums Weinsberg. Aber: Dass es weiterhin ein Gymnasium geben soll, vergrößere den derzeitigen "Flickenteppich", verstärke die Selektion. Tominski befürchtet amerikanische Verhältnisse: Eltern, die es sich leisten könnten, würden ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Der Gymnasiast wünscht eine langfristige Zielsetzung, beurteilt das derzeitige Vorgehen als überhastet.

Fortbildung Unterstützung für den Umgestaltungsprozess wünscht sich der Leiter der Michael-Beheim-Grund- und Werkrealschule, Eric Sohnle. Ein Zuhörer hat das Gefühl, dass mit der Gemeinschaftsschule wieder "was eingespart" werden soll. "Sie muss so gut sein, dass Eltern und Schüler sagen: Das ist eine Alternative", betont Kratzmeier. Deshalb ist für sie klar: "Sie darf kein Sparmodell sein." In die Lehrerfortbildung müsse kurzfristig investiert werden. Eine Zuhörerin befürchtet, dass sich in der Gemeinschaftsschule die bildungsfernen Schichten sammelten. "Dann geht der Schuss nach hinten los."

Bildungsgerechtigkeit ist Konsens
Das Podium mit dem Moderator, Grünen-Gemeinde- und Kreisrat Armin Waldbüßer (3.v.l.): Günther Ruoff (von links), Philipp Tominski, Ute Kratzmeier, Eric Sohnle, Helga Kurz und Steven Häusinger.Foto: Sabine Friedrich
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