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Elektrosmog verrät Betriebsgeheimnis

EnBW scheitert mit dem Versuch, Messungen unter Neckarwestheimer Stromleitungen zu verbieten

Von Manfred Stockburger
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Lesezeit  1 Min
Elektrosmog verrät Betriebsgeheimnis
Elektrosmog verrät Betriebsgeheimnis

Die Geschichte ist skurril - und spannender als ein Krimi: Lediglich ein handelsübliches Elektrosmog-Messgerät braucht der Münchener Stromhändler Christian Kunze, um die Daten zu besorgen. Positioniert er es unter die Höchstspannungsleitungen, die das Kraftwerk verlassen, kann er Rückschlüsse auf die aktuelle Stromerzeugung ziehen. Zumindest kann der 37-Jährige ablesen, ob ein Atommeiler Strom liefert - oder eben nicht.

Im Internet warb Kunzes Firma Entras Ltd damit, die aktuelle Leistung aller deutschen Kernkraftwerke in Echtzeit zur Verfügung stellen zu können. Für Energiehändler sind solche Information ausgesprochen wertvoll - ein Wettbewerber von Kunze verlangt pro Jahr eine Viertelmillion Euro dafür. Fällt ein Kraftwerk aus, dann steigt in der Folge der Strompreis an der Leipziger Strombörse an - schließlich muss die EnBW pro Ausfalltag Strom im Wert von rund 2,4 Millionen Euro zukaufen.

Diese Zahlen nannten die EnBW-Anwälte für Neckarwestheim. Bisher wissen nur die Erzeuger selbst, wann der Strom knapp wird, etwa weil ein Kernkraft-Block abgeschaltet werden muss. Wissen auch die anderen Marktteilnehmer, dass deswegen der Strom knapp ist, können sie besser darauf reagieren. „Auch kleineren Händlern eine Marktchance zu geben“, gab Kunze zu Protokoll, sei der Hintergrund der Geschäftsidee.

Fünfeinhalb Stunden lang tagte die Erste Kammer für Handelssachen am Heilbronner Landgericht unter dem Vorsitz von Helga Kümmel am Donnerstag bis weit in den Abend hinein, um zu klären, ob Kunze die EnBW ausspioniert, oder ob er lediglich „offenkundige Tatsachen“ verwendet und diese interpretiert, um zu seinen Aussagen zu kommen. Nach langem Hin und Her wurde klar, dass die Messungen auf alle Fälle rechtens sind. Ausschlag gebend für diese Einschätzung war nicht zuletzt die Aussage eines EnBW-Zeugen. In einem Vergleich, auf den sich Kunze schließlich eingelassen hat, verpflicht er sich nur, solche Daten nicht zu veröffentlichen, die „unter Hinzuziehung weiterer, nicht offenkundiger Tatsachen“ erlangt werden.

Wie brisant die Geschichte ist, zeigt sich schon daran, dass die EnBW sogar Bombenexperten des Landeskriminalamts zu Hilfe zog, als sie die Messeinrichtung entdeckten, die Kunze außerhalb des Kraftwerkgeländes unter der Stromleitung aufgebaut hatte, obwohl Kunze jedenfalls nach eigenen Angaben den Wachdienst über den Sensor mit angebautem Sender informiert hatte. Auch an anderen Kraftwerksstandorten habe es keine Probleme gegeben, erklärt Christian Kunze. Und: Bei seinen Geschäftspartnern haben die Stromhändler der EnBW und die der EnBW-Mutter EdF Interesse an dem System angemeldet, das auch die Daten der Konkurrenz erfasst.

 

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