Eisenbahner-Geschichten im Tunnel
Roland Rösch erzählt seinem mit Taschenlampen bewaffneten Publikum Anekdoten rund ums Gleis
Lesersommer - Heilbronn Wild wuchernde Dornensträucher, kaputte Fernseher und verrostete Getränkedosen. Die Gleise der ehemaligen Verbindungsbahn hin zum Lerchenbergtunnel sind erst auf den zweiten Blick erkennbar. Einer aber kennt den Weg gut: Roland Rösch. „Der Vollblut-Eisenbahner hat den Tunnelblick“, schmunzelt Stefanie Hüning aus Heilbronn. Eben dieser war bei der Lesersommer-Veranstaltung am Freitag auch gefragt.
Bestens gerüstet mit Taschenlampen, festem Schuhwerk und strapazierfähiger Kleidung folgen rund dreißig Leserinnen und Leser der Heilbronner Stimme dem Autor auf ein literarisches Erlebnis der besonderen Art: Mitten im stillgelegten Eisenbahntunnel liest Rösch Geschichten rund um die ehemalige Bahnstrecke vom Hauptbahnhof zum Südbahnhof vor.
Stockfinster Taschenlampen an, heißt es am Eingang zum 400 Meter langen Tunnel. „Ich hab keine Angst“, sagt der sechsjährige Holger Schmalz aus Horkheim und stapft munter von Schwelle zu Schwelle immer tiefer in das Dunkel des Tunnels hinein.
Unerschöpflich Roland Röschs Wissen scheint unerschöpflich, und mit kleinen Anekdoten aus der Vergangenheit bringt der Ur-Heilbronner seine Zuhörer nicht nur einmal zum Lachen. Dabei scheint ihn auch das leicht Verbotene immer wieder am Besuch des Tunnels zu reizen. „Wir befinden uns hier auf Bahngelände und dürften hier vermutlich gar nicht stehen“, lacht der Pensionär, „es könnte ja ein Zug kommen.“
Erstaunte Blicke in der Runde, als Rösch berichtet, dass die Strecke erst vor fast auf den Tag genau sieben Jahren stillgelegt wurde. In kürzester Zeit hat die Natur das brachliegende Gelände in Besitz genommen, und schon bald wird der Weg zum Tunnel vielleicht auch mit dem Tunnelblick nicht mehr zu erkennen sein.