Das ABC im Jahresrückblick 2007 in Baden-Württemberg und der Region Heilbronn
2007 im Rückblick - Zeit zurückzublicken auf das vergangene Jahr. Menschen, die Schlagzeilen machten, Themen, die uns bewegten, und Dinge, die die Region veränderten.
A wie Altpapier: Die Affäre um verschlampte Dokumente hätte Peter Straub (68/CDU), Landtagspräsident, im Oktober um ein Haar den Job gekostet. Vor seiner Anwaltskanzlei in Waldshut hatten Passanten herumfliegende Unterlagen mit vertraulichen Daten gefunden und an die Presse weitergegeben. Unter Anwälten galt Straubs Indiskretion als „Todsünde“, doch Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hielt seinen Parteifreund politisch am Leben.
B wie „Bäcker von Siegelsbach“: Der Andrang ist riesig, die Emotionen kochen hoch bei der Neuauflage des Raubmordprozesses gegen den Bäcker vor dem Landgericht Stuttgart. Es ist drei Jahre her: Ein Mann marschiert in die Sparkasse von Siegelsbach, schlägt einem Angestellten den Schädel ein und erschießt eine Kundin. Ihr Mann überlebt einen Nackenschuss. Der Täter entkommt mit 33 000 Euro und spaltet ein Dorf in zwei Lager. Die beiden Überlebenden sagen: Der Bäcker war es.
C wie Christian Klar: Fast genau 30 Jahre nach den Anschlägen im „Deutschen Herbst“ schlägt das Begnadigungsgesuch des früheren RAF- Terroristen Christian Klar hohe Wellen. Über Wochen diskutieren Politiker und Medien das Für und Wider einer vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis in Bruchsal. Bundespräsident Horst Köhler lehnt die Bitte schließlich ab. Klars Komplizin Brigitte Mohnhaupt hatte ihre Mindesthaftdauer verbüßt und war nach 24 Jahren Haft freigekommen. Klar kann frühestens Anfang 2009 zur Bewährung auf freien Fuß.
D wie Durchsuchung: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sie schon lange, aber auch seine Parteifreunde im Südwesten arbeiten daran: Die virtuelle Jagd nach Terroristen und Schwerverbrechern auch auf den Festplatten privater Computer. Im Land legt sich aber der kleine Koalitionspartner FDP quer. Nicht mit uns, lautet ihr Votum zum Wunsch der CDU, die Online-Durchsuchung einzuführen.
E wie Eliteuniversitäten: Gleich vier „Leuchttürme“ strahlen seit diesem Jahr in Baden-Württembergs Hochschullandschaft. Bei der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder qualifizieren sich in der zweiten Runde die Universitäten Konstanz, Freiburg und Heidelberg als „crème de la crème“. Sie - und die bereits 2006 gekürte TU Karlsruhe - können nun dank einer Förderung von je 100 Millionen Euro bei der Forschung besonders glänzen.
F wie Französischzwang: Badische Eltern erringen am 24. Juli nach monatelangem Kampf einen Sieg gegen Kultusminister Helmut Rau (CDU): Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Mannheim ist der heftig umstrittene Französischzwang an Gymnasien der Rheinschiene vom Tisch. Nun können auch diese weiter Englisch als erste Fremdsprache anbieten.
G wie Geheimnisverrat: Mit diesem Vorwurf musste sich ausgerechnet die frühere Landesjustizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) ein Jahr lang vor Gericht herumschlagen. Am 27. September brummte ihr das Landgericht Stuttgart eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und 30 000 Euro Geldbuße auf. Denn es sei erwiesen, dass sie ihren Parteifreund, Wirtschaftsminister Walter Döring, im Sommer 2004 über Ermittlungen gegen ihn informierte. Die Ex-Ministerin legte Revision ein.
H wie Heckenschützen: Ute Vogt wollte so gern ihren Motorrad-Urlaub in Schottland genießen. Doch einige in der SPD-Fraktion machten sich daran, das Sommerloch zu füllen. So wurde die Fraktionschefin von nicht genannten „Parteifreunden“ sturmreif geschossen. Sie binde ihre Fraktion nicht ein und könne nicht führen, hieß es. Entnervt warf Vogt Anfang Oktober das Handtuch. Parteichefin bleibt sie aber.
I wie Islamisten: Anfang September rückte Ulm als Rückzugsgebiet islamistischer Terrorverdächtigen ins Visier der Ermittler: Zwei aus Ulm stammende Männer sollen unter anderem Anschläge in Deutschland geplant haben. Die Ermittler interessierten sich nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für das Islamische Informationszentrum, das sich mittlerweile selbst aufgelöst hat.
J wie Jackpot: Ende des Jahres brach in Deutschland erneut das Lotto- Fieber aus. Mit 45,3 Millionen Euro war der Jackpot so prall gefüllt wie noch nie in der deutschen Lotto-Geschichte. Drei Spieler leerten den Topf am 5. Dezember. Der Wirbel freute besonders die Baden-Württemberger, die seit Januar die Federführung im Deutschen Lotto- und Totoblock innehaben. Friedhelm Repnik ist damit Wortführer der 16 Lotto-Ländergesellschaften. Als solcher kämpft er für den Erhalt des staatlichen Glücksspielmonopols.
K wie Kyrill: Mit Orkan Lothar konnte er sich nicht messen. Dennoch pfiff Sturm Kyrill mit immerhin rund 165 Stundenkilometern über Baden-Württemberg hinweg. Dabei fällte er zahlreiche Bäume, sorgte für ein paar hunderttausend Kubikmeter Sturmholz und richtete einen Schaden in Millionenhöhe an. Eine Meldung für Optimisten: Kyrill bremste auch den Anstieg der Brennholzpreise. Aber nur kurzfristig.
L wie Luchs: Ein überfahrener Luchs hat Anfang des Jahres Naturfreunde im Südwesten in Aufregung versetzt. Wurde doch zunächst angenommen, bei der nahe Ulm unter die Räder gekommenen Großkatze handele es sich um den einzigen nachweislich im Land lebenden Luchs. Entwarnung kam mehrere Fell- und DNA-Analysen später: Es war nicht der Donautal-Luchs, sondern vermutlich ein Streuner oder ein aus einem Gehege ausgerissenes Tier.
M wie Milliardenprojekt: 4 800 000 000 Euro - so viel kostet das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Über 13 Jahre hat das Ringen gedauert. Am 19. Juni war es so weit: Nachdem Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) in Berlin nochmals die Schatulle geöffnet hatte, bekam er grünes Licht. Nun soll gebuddelt werden: Der Stuttgarter Hauptbahnhof kommt unter die Erde und nach Ulm soll eine neue ICE- Trasse führen.
N wie Nettonull: Das Schlagwort der Finanzpolitik bedeutet keineswegs totale Schuldenfreiheit. Der Finanzminister darf nur keine neuen Kredite (Nettoneuverschuldung) aufnehmen. Und das schafft Baden- Württemberg im kommenden Jahr erstmals seit 35 Jahren. Dass auf dem Landesetat noch 42 Milliarden Euro Altschulden und damit jährlich zwei Milliarden Euro Zinszahlungen lasten, steht auf einem anderen Blatt. „Nettonull“ strebt Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) auch beim Flächenverbrauch im Südwesten an.
O wie Oberschwäbische Rektoren: Auf das schwarze Oberschwaben kann sich die CDU-geführte Landesregierung in der Regel verlassen. Doch ausgerechnet aus dieser Ecke wurde Kultusminister Helmut Rau (CDU) in der Debatte um das von ihm favorisierte dreigliedrige Schulsystem torpediert: 100 Rektoren von Haupt- und Grundschulen forderten in einem offenen Brief Ende April längere gemeinsame Lernzeiten statt frühe Selektion. Die Initiative zog Kreise, ihr schlossen sich 300 weitere Schulleiter.
P wie Presseball: Er ist das Society-Highlight in Stuttgart - mit Promis, prächtigen Roben und Party bis tief in die Nacht. Dieses Jahr lag ein dunkler Schleier über dem Fest. Der Zentralrat der Juden fand das Datum 9. November „geschmacklos“, weil sich die Pogromnacht von 1938 jährt. Auf Drängen von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) durfte nicht getanzt werden. Die Folge: Es hagelte Absagen.
Q wie Quadratmeter: Jeden Tag wird im Südwesten die Fläche von 14 Fußballfeldern zugebaut oder zumindest verplant. Das sind 94 000 Quadratmeter Boden (9,4 Hektar). Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) will das zwar auf lange Sicht ändern - dennoch steigt der Flächenverbrauch weiter. Inzwischen sind 14 Prozent der Gesamtfläche Baden-Württembergs (3,6 Mio Hektar) bebaut, Ende der 80er Jahre waren es 12 Prozent.
R wie Rauchverbot: Wer rauchen will, muss frieren. Während in anderen Bundesländern die Karnevalszeit noch abgewartet wird, ist Rauchern in Baden-Württemberg bereits vom 1. August an das Qualmen in Kneipen und öffentlichen Einrichtungen verboten. Restaurants dürfen das Rauchen nur in separaten, vollständig abgetrennten Räumen zulassen. Oder eben vor der Tür - im Winter unter Heizpilzen. Der Sturm der Entrüstung fiel aus - nur einige Gastwirte und Kettenraucher bliesen Trübsal.
S wie Salem: Dem Schloss am Bodensee droht der Verkauf. Dem Haus Baden sitzen die Banken im Nacken. Sie wollen das Geld zurück, das sie für die Sanierung der ehemaligen Klosteranlage vorgestreckt haben. Bernhard Prinz von Baden hofft aber noch auf einen Vergleich mit dem Land. Das könnte die Kulturschätze des Adelshauses bekommen, im Gegenzug dessen Schulden bezahlen und Kapital in eine gemeinnützige Salem-Stiftung stecken. Dafür wollte die Regierung badische Kulturschätze verkaufen. Kulturhistoriker waren empört.
T wie Trauerrede: „Hans Filbinger war kein Nationalsozialist.“ Mit diesem Satz brachte Regierungschef Günther Oettinger (CDU) im April die halbe Republik gegen sich auf und sich selbst fast um sein Amt. An Filbingers Sarg wollte er die Ehre des ehemaligen Ministerpräsidenten retten. Dieser war als NS-Marinerichter an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten beteiligt. Erst nach massivem Druck auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschuldigte sich Oettinger vier Tage später.
U wie Umweltplakette: Die braucht jeder Autofahrer, der sich vom 1. März an frei im Südwesten bewegen will. Um des Feinstaubs Herr zu werden, dürfen in acht Umweltzonen nur noch saubere Autos fahren. Beleg für eine moderne Abgastechnik ist die Plakette. Wer 2008 nicht mit dem Auto in Stuttgart, Mannheim, Ludwigsburg, Leonberg, Tübingen, Reutlingen, Schwäbisch Gmünd oder Ilsfeld fahren will, braucht noch keine.
V wie vorbei: Vorbei ist das Familienglück der Oettingers. In der Gerüchteküche war schon seit Monaten über die Ehekrise des Ministerpräsidenten gemutmaßt worden. Nach der Absage von Frau Inken an 170 Prominentendamen bei einem Adventskränzchen sah die Boulevardpresse die Zeit für brisante Veröffentlichungen gekommen und veranlasste damit Günther Oettinger zur Flucht nach vorn. Am 10. Dezember gab das Paar nach 13 Jahren Ehe in dürren Worten bekannt, dass es künftig getrennte Wege gehen, sich aber noch gemeinsam um den neunjährigen Sohn Alexander kümmern wolle.
W wie WM-Ticketaffäre: Auch nach seinem frühzeitigen Ausscheiden als Chef des Energiekonzerns EnBW lässt die Vergangenheit Utz Claassen nicht los. Er muss sich wegen Korruptionsvorwürfen vor dem Karlsruher Landgericht verantworten. Claassen hatte als Vertreter des offiziellen WM-Sponsors EnBW Gutscheine für Tickets für WM-Spiele an Mitglieder der Regierung verschickt. Ende November wird er zwar vom Oberlandesgericht freigesprochen, nach der Revision der Staatsanwaltschaft könnte der Fall um Sportfans und Sponsoren aber auch noch vor dem Bundesgerichtshof landen.
X wie XY ungelöst: Der Fall liest sich wie aus einem Krimi, dessen Ende noch nicht geschrieben ist: Knapp acht Monate nach dem brutalen Mord an einer 22-jährigen Polizistin in Heilbronn kann die Polizei immer noch nicht mehr sagen, als dass sie nach einer in andere schwere Verbrechen verwickelte Frau fahndet. Die letzte heiße Spur führt in eine Kornwestheimer Gartenanlage. Und erkaltet dort. Auch die ZDF-Sendung XY ungelöst bringt die Fahnder vorerst nicht weiter.
Y wie „Rafik Y.“: Rafik Y. ist laut Bundesanwaltschaft der „Chefplaner“ des vereitelten Attentats auf den früheren irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi in Deutschland. Seit eineinhalb Jahren müssen sich Y. und zwei weitere Angeklagte in Stuttgart vor dem Oberlandesgericht verantworten. Doch keiner kommt an Y. heran. Er droht, keift, ist aggressiv und beleidigend. Ausgang und Ende ungewiss.
Z wie Zündel: Es hat sich ausgehetzt - zumindest für fünf Jahre, die der 68-jährige Ernst Zündel aus Bad Wildbad (Kreis Calw) hinter Gitter muss, weil er den Holocaust geleugnet hat. Der Prozess in Mannheim hatte sich bis Februar über ein Jahr hin gezogen. Zündel hatte von Kanada aus im Internet den Massenmord an den Juden in der NS-Zeit bestritten. Auch seine beiden Verteidiger müssen wegen der Holocaust-Lüge vor den Kadi. Einer unterschrieb zudem einen Brief ans Gericht mit: „Heil Hitler“.