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Waren die Römer Sterngucker?

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Mosbach - Rudolf Landauer erregt mit Limes-Theorie Aufsehen bei Wissenschaftlern

Von Wolfgang Müller
„Wahrscheinlich hat er Recht.“
          Prof. S. Schenk
„Wahrscheinlich hat er Recht.“ Prof. S. Schenk

Mosbach - Der obergermanisch-rätische Limes (ORL) - Weltkulturerbe der UNESCO und Jahr für Jahr Ziel zahlloser Touristen. Auf 550 Kilometern schützte diese Grenze das römische Imperium vor Angriffen germanischer Barbaren. Bis heute gibt dieses Bauwerk Rätsel auf. Etwa auf der Strecke von Welzheim vorbei an Jagsthausen bis kurz vor Walldürn. Hier haben die römischen Besatzer einen mehr als 80 Kilometer langen schnurgeraden Grenzwall gebaut. Durch Wald und Flur, über Anhöhen und durch Täler. „Selbst mit modernsten vermessungstechnischen Instrumenten wäre so ein Bauwerk kein leichtes Unterfangen“, sagt Rudolf Landauer, Journalist aus Mosbach und Träger des Landesarchäologiepreises Baden-Württemberg.

Gedanken

Wie konnten also die Römer eine solche Leistung vollbringen? Vor mehr als 1850 Jahren. „Diese Frage beschäftigt die Forscher schon seit über 100 Jahren“, sagt Professor Dieter Planck, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart. Obwohl mehrere Theorien gehandelt werden, gibt es eine gültige Erklärung bis heute nicht.

Landauer bringt jetzt einen neuen Gedanken in die wissenschaftliche Diskussion: Die Römer waren Sterngucker. Nach dem Prinzip Kimme und Korn hätten sie den Polarstern, den letzten Stern im kleinen Bären, ins Visier genommen und sich durch den germanischen Urwald navigiert, so Landauer. Eine Idee, an die Siegfried Schenk, Professor für Vermessungswesen und Geoinformatik an der Hochschule für Technik in Stuttgart, auch schon gedacht haben will. Seit zwölf Jahren vermisst er mit Studenten die Limes-trasse. Nicht weiter verfolgt habe er den astronomischen Ansatz, weil der Limes nicht in Nordrichtung verlaufe, so Schenk. Das ist auch Landauer klar. Er hat berechnet, dass der Limes um 14 Grad nach Westen abweicht. Zu Fuß ist der 61-Jährige die Limestrasse abgelaufen. Auch vom Flugzeug aus hat er die Topographie studiert. „Es wurde immer klarer, dass sich die Römer am Himmel orientieren mussten.“

Firmament

Wie also sah der Himmel 150 nach Christus aus? Immerhin ändert das Firmament im Laufe der Jahrhunderte sein Aussehen. Eine Simulation brachte Klarheit: Am 1. März 150 nach Christus weicht der Polarstern um 21 Uhr exakt um diese 14 Grad westlich von der Nordlinie ab. Diese Position hatte er etwa eine halbe Stunde lang inne. Dann drehte er sich innerhalb von 24 Stunden einmal im Kreis, um am nächsten Tag um 21 Uhr wieder exakt 14 Grad von der Nordlinie abzuweichen, so Landauer. Die Römer konnten demnach alle 24 Stunden navigieren und sich etappenweise vorarbeiten.

Rudolf Landauer demonstriert seinen Erklärungsansatz.Foto: Wolfgang Müller

Studie

Inzwischen hat Landauer eine knapp 20-seitige Studie erstellt, in der er die astronomischen Grundlagen für seine Theorie und die mögliche Vermessungsmethode darstellt. „Wahrscheinlich hat er Recht“, sagt Professor Schenk. „Auf jeden Fall bin ich begeistert von seiner Theorie. Er hat den Mut gehabt, sie zum ersten Mal auszusprechen.“

Professor Planck spricht von einer „interessanten Überlegung“. Der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege setzt aber auch Fragezeichen. „Wir bewegen uns an einer Schnittstelle zwischen Archäologie und Astronomie“. Deshalb trifft sich Landauer Ende August mit Schenk und Planck bei Professor Hans-Ulrich Keller im Planetarium in Stuttgart. Aber auch aus archäologischer Sicht gäbe es Unklarheiten, so Planck. „Wir haben heute eine Grenzlinie. Ob es die einzige war, ist nicht sicher.“ Für Landauer kein Problem. „Ich behaupte nicht, dass es sich genau so abgespielt hat. Es ist eine Theorie.“ Ein Feldversuch bei Osterburken mit seinem selbstgebauten Vermessungsgerät soll weitere Klarheit bringen.


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